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Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen
Autoren: Robert Silverberg
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Phantom-Gazeschleier da r über legten: das erstaunte Gesicht von Lee Harvey O s wald, als Jack Ruby vor ihn trat, der zerzauste Körper Bobby Kennedys, wie er auf dem Küchenboden lag, die schmucklosen Körper von Mishima und seinem Begle i ter, die hübsch anzusehen am anderen Ende des Schrei b tischs vom General ruhten, der römische Soldat, der der Gestalt am Kreuz den Speer in die Seite stieß, der grelle Pilz, der sich über Hiroshima ausbreitete. Und wieder einmal Eli, und wieder die Sturzbahn des antiken, plu m pen Steins, wieder der Aufprall. Die Zeit blieb stehen. Die Poesie des Untergangs. Ich stolperte und wäre bein a he hingefallen, aber die Schönheit dieser Bilder gab mir die Kraft, durchflutete die krachenden Gelenke und die berstenden Muskeln mit neuer Stärke, so daß ich nicht hinfiel; ein mühsam arbeitender, fleißiger Leichenträger, der über den zerbröckelnden Alkaliboden taumelte. Da wir im Leben täglich sterben müssen, werden wir durch das Sterben ewig leben.
    „Wir haben den Ort erreicht“, sagte Bruder Antony.
    Das sollte ein Friedhof sein? Ich sah weder Grabsteine noch sonstige Anzeichen. Die niedrigen grauen Pflanzen mit den lederartigen Blättern vom durstigen Ödland b e grenzten hier ein leeres Feld. Mein Blick hatte sich wi e der etwas geklärt, und ich sah alles mit der seltsamen ausgeflippten Intensität der Erschöpfung. Ich bemerkte wieder Unregelmäßigkeiten im Gelände: eine Stelle hier, die ein paar Zentimeter eingesunken schien, eine Stelle dort, die sich von der Umgebung erhoben zu haben schien; sollte hier tatsächlich die Oberfläche hin und wieder aufgewühlt worden sein? Vorsichtig ließen wir Timothy hinunter. Als er unten war, schien mir mein Körper vor Entlastung zu entgleiten; ich fürchtete wir k lich, ich würde vom Boden abheben. Meine Glieder zi t terten, und meine Arme hoben sich selbständig bis zu den Schultern hoch. Doch die Rast währte nur kurz. Bruder Franz reichte uns die Werkzeuge, und wir begannen, das Grab auszuheben. Nur er half uns; die anderen drei Hüter hielten sich zurück und standen dort wie Votivstatuen , bewegungslos und neutral. Die Erde war grob und weich; vielleicht hatten zehn Millionen Jahre Sonne über Ariz o na ihren Zusammenhalt herausgebacken. Wir schufteten wie Sklaven, wie Ameisen, wie Maschinen; stoßen und heben, stoßen und heben, stoßen und heben; jeder von uns errichtete seinen eigenen kleinen Erdhügel, bis die drei zu einem einzigen zusammenwuchsen. Zuweilen drangen wir auch in die Arbeitsstelle eines anderen ein, einmal hätte Eli mir beinahe den Fuß mit seiner Picke durchbohrt. Aber wir brachten die Arbeit zu ihrem Ende. Schließlich lag da ein unebenes Grab, vielleicht zwei Meter lang, einen Meter breit und knapp anderthalb M e ter tief, vor uns. „Das reicht“, sagte Bruder Franz. Ke u chend, schwitzend und total erledigt ließen wir unsere Werkzeuge fallen und traten zurück. Ich befand mich am Rande des Zusammenbruchs und konnte kaum noch auf den eigenen Beinen stehen. Ein trockenes Würgen b e drängte mich; ich kämpfte dagegen an und konnte es a b surderweise in einen Schluckauf verwandeln. Bruder A n tony sagte: „Legt den toten Mann in das Loch.“ Einfach so? Kein Sarg, überhaupt keine Bedeckung? Dreck auf das nackte Gesicht? Staub zu Staub? Schien so zu sein. Wir entdeckten in uns ein unverbrauchtes Energierese r voir und hoben Timothy hoch, schwangen ihn in unser Grabloch und ließen ihn langsam hinunter. Er lag auf dem Rücken, der zerschmetterte Kopf ruhte auf weicher Erde; die Augen – zeigten sie Überraschung? – starrten zu uns hoch. Eli griff hinunter, schloß ihm die Augen und drehte Timothys Kopf etwas zur Seite, in eine Position, die beim Schlaf auftritt, eine bequemere Art, die ewige Ruhe zu verbringen. Die vier Hüter stellten sich nun an den vier Ecken des Grabes auf. Die Brüder Miklos, Franz und Javier legten die Hände auf ihre Anhänger und sen k ten den Kopf. Bruder Antony starrte stur geradeaus und rezitierte eine kurze Andacht in der flüssigen, unentzi f ferbaren Sprache, die die Brüder benutzen, wenn sie mit den Priesterinnen sprechen. (Aztekisch? Die Sprache von Atlantis? Die Muttersprache der Cro-Magnon-Menschen?) Bei den letzten Sätzen wechselte er auf L a tein über und sprach etwas, von dem Eli mir später e r zählte, es sei der Text des Neunten Mysteriums gewesen, was genau meiner Vermutung entsprach. Dann gab der Bruder mir und Eli ein Handzeichen, das Grab zu
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