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Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen
Autoren: Robert Silverberg
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Eichentüren, die in die Unendlichkeit verschwand. Jede Tür fest verschlossen. Seltsame Namen kommen mir in den Sinn: Das ist Timothys Zimmer, das Neds, das Ol i vers. Wer sind sie? Und das ist das Zimmer von Eli Steinfeld. Wer? Eli Steinfeld. Wer? E. Li. Stein. Feld. Eine Ansammlung unverständlicher Geräusche. Eine Anhäufung bedeutungsloser Silben. E. Li. Stein. Feld. Wir wollen weitermachen. Dieses Zimmer gehört Bruder Antony, und hier trifft man vielleicht auf Bruder Bernard, hier Bruder Javier, hier Bruder Claude, Bruder Miklos, Bruder Maurice, Bruder Leon und Bruder Hinz und Br u der Kunz. Wer sind diese Brüder, was bedeuten ihre N a men? Hier befinden sich noch mehr Türen. Da müssen die Frauen schlafen. Aufs Geratewohl öffnete ich eine Tür. Vier Betten, vier gutgewachsene Frauen, nackt, au s gebreitet in einem Haufen zerknüllter Laken. Nichts ve r birgt sich dem Blick: Hüften, Po, Brüste, Lenden. Die Gesichter von Schlafenden mit offenen Mündern. Ich könnte hineingehen, zwischen ihre Beine eindringen, sie besitzen, alle vier, eine nach der anderen. Aber nein. Weiter, zu einem Ort, wo es kein Dach gibt, wo die gli t zernden Sterne durch die Balken scheinen. Hier war es kälter. Totenschädel an der Wand. Ein sprudelnder Springbrunnen. Ich schritt durch die Versammlungsrä u me. Hier werden wir in den Achtzehn Mysterien unte r richtet. Hier machen wir unsere heiligen Gymnasti k übungen. Und dort essen wir unsere Diät. Und da – diese Öffnung im Fußboden, dieser Schildbuckel, der Nabel des Universums, das Tor zur Hölle. Ich muß dort hinu n ter; hinunter also. Der Geruch nach Moos. Keine B e leuchtung. Der Abstieg flacht ab; dies ist kein Schlund, sondern nur ein Tunnel, und ich erinnere mich daran. In dieser Richtung bin ich noch nie hier durchgekommen, sondern aus der anderen Richtung. Ein Hindernis, ein Steinbrocken. Er bewegt sich! Er bewegt sich! Der Tu n nel läuft weiter. Vorwärts, vorwärts, vorwärts. Posaunen und Baßhörner, ein Baß-Chor, die Worte des Requiems zucken nach oben: Rex tremendae majestatis, qui salva n dos salvas gratis, salva me, fons pietatis. Draußen! Ich kam auf der freien Fläche heraus, von der aus ich beim erstenmal ins Haus der Schädel gestiegen war. Vor mir das triste Ödland, die stachelige Wüste. Hinter mir das Haus der Schädel. Über mir die Sterne, der Vollmond, das Gewölbe des Himmels. Was nun? Unschlüssig lief ich über die freie Fläche, kam an der Reihe basketbal l großer Steinschädel vorbei, die dies alles begrenzten, und runter auf den schmalen Pfad, der durch die Wüste lief. Ein richtiges Ziel hatte ich nicht. Meine Füße trugen mich einfach davon. Stundenlang oder tagelang oder w o chenlang lief ich einfach. Dann sah ich zu meiner Rec h ten einen großen, schweren Fels: verwitterte Oberfläche, dunkle Farbe, der Meilenstein, der gigantische Stein-Totenschädel. Im Mondlicht waren die tiefeingeschnitt e nen Züge deutlich zu erkennen, und scharfrandige schwarze Löcher voller Nacht. Brüder, hier wollen wir meditieren. Laßt uns den Schädel unter unserem Gesicht betrachten. Und so kniete ich nieder. Und mittels der Techniken, die der fromme Bruder Antony mir beig e bracht hatte, sandte ich meine Seele aus, strömte auf den großen Steinschädel ein und reinigte mich von aller Ve r wundbarkeit des Todes. Schädel, ich kenne dich! Sch ä del, ich fürchte dich nicht! Schädel, ich trage deinen Bruder unter meiner Haut! Und ich lachte den Schädel aus und amüsierte mich dabei, seine Form zu ändern: zuerst in ein weiches, weißes Ei, dann in einen Globus aus rosafarbenem Alabaster, von gelben Venen und Adern durchzogen, dann in eine Kristallkugel, deren Ti e fe ich erkundete. Die Kugel zeigte mir die goldenen Türme des verlorenen Atlantis; die zottigen Männer in wolligen Fellen, die im Schein der Fackel in einer ve r rauchten Höhle vor den aufgemalten Ochsen an der Wand tanzten. Die Kugel zeigte mir Oliver, der müde und erschöpft in Neds Armen lag. Ich verwandelte die Kugel in einen rauhen, grob bearbeiteten Schädel aus schwarzem Stein zurück und ging befriedigt den dorn i gen Pfad zum Haus der Schädel zurück. Ich stieg nicht in den unterirdischen Gang hinunter, sondern lief statt de s sen am Gebäude entlang, am langgezogenen Flügel, in dem wir von den Brüdern unterrichtet werden; bis ich an das Ende des Gebäudes gelangte, wo der Weg begann, der zu den kultivierten Feldern führte. Im Mondlicht suchte ich nach Unkraut und
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