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Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen
Autoren: Robert Silverberg
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Vergnügen. Deshalb war Olivers Qual auch unsinnig, lediglich ein Produkt des Konfliktes zwischen seinen originären körperlichen Bedürfnissen und den Konditionen, die die Gesellschaft aufgestellt hatte. Im Athen des Perikles hätte Oliver überhaupt nichts zu beichten gehabt. Timothys Sünde, was immer sie auch gewesen sein mochte, war sicherlich etwas äh n lich Seichtes gewesen, weniger aus der Grundmoral en t sprungen, sondern eher aus irgendwelchen lokalen T a bus. Vielleicht hatte er mit einem Dienstmädchen g e schlafen, oder er hatte heimlich seine Eltern beim Bu m sen beobachtet. Mein eigenes Vergehen war da schon komplexer, denn ich hatte Freude am Untergang von a n deren empfunden. Vielleicht hatte ich ja noch nicht ei n mal den Untergang anderer in die Wege geleitet, aber selbst das war eine spitzfindige jakobinische Überlegung, die in einer endgültigen Analyse eigentlich substanzlos dastand. Aber hier lag die Sache anders. Wenn Plagiate die Grundlage für Elis wissenschaftliche Reputation w a ren, dann hatte Eli eigentlich gar keine Grundlagen: Er war hohl, er war leer, und welche Absolution konnte man ihm dafür geben? Eli hatte seinen Teil hinter sich, jetzt war ich dran. Ich stand auf, ging zu ihm hin, nahm seine Hände, hob ihn auf die Füße und sagte ihm die mag i schen Worte: Reue, Buße, Vergebung, Erlösung. Mit den Gedanken ganz woanders, nickte er mir zu und verließ mich. Ich dachte an das Neunte Mysterium und fragte mich, ob ich ihn je wiedersehen sollte.
    Brütend lief ich lange durch mein Zimmer. Dann ve r führte mich Satan, und ich ging Oliver besuchen.

39. KAPITEL
Oliver
     
    „Ich kenne die Geschichte“, sagte Ned, „ich kenne sie von A bis Z.“ Schüchtern lächelte er mich an. Sanfte A u gen, Kuhaugen sahen in meine. „Du brauchst dich nicht dessen zu schämen, was du bist, Oliver. Du brauchst dir nie mehr deswegen Angst zu machen. Begreifst du nicht, wie wichtig es ist, sich selbst zu erkennen, soweit ins eigene Unterbewußtsein einzudringen, wie das nur mö g lich ist, und dann so zu handeln, wie man es dort vorg e funden hat? Statt dessen aber errichten so viele Leute dicke Mauern zwischen sich, Mauern, die nur aus nutzl o sen Abstraktionen bestehen. Jede Menge Das-sollst-du-nicht-tun- und Das-darfst-du-nicht-Kram. Warum? Was bringt das für einen Nutzen?“ Neds Gesicht glühte. Ein Versucher, ein Teufel. Eli mußte ihm alles erzählt haben. Von Karl und mir, und von mir und Karl. Ich hätte Eli am liebsten den Schädel eingeschlagen. Ned umkreiste mich, grinste und schlich wie eine Katze, wie ein Ringer kurz vor der Attacke. Er sprach leise, fast summend. „Na los, Ol. Entkrampfe dich. LuAnn wird es schon nicht h e rausbekommen. Ich werde sowieso nichts sagen. Na, komm schon, Ol, worauf warten wir noch, laß es uns tun. Wir sind keine Fremden. Und lang genug haben wir uns voneinander ferngehalten. Das ist doch dein eigentliches Ich, Oliver, das ist dein wirkliches Ich in dir, was da he r aus will. Und jetzt ist der richtige Moment für dich, es herauszulassen. Willst du es, Oli? Willst du? Jetzt? Hier ist deine Chance. Und hier bin ich.“ Und er kam mir n ä her. Sah zu mir hinauf. Kleiner, schmächtiger Ned, geht mir gerade bis an die Brust. Seine Finger trippeln leicht über meinen Unterarm. „Nein“, sagte ich und schüttelte den Kopf. „Faß mich nicht an, Ned.“ Er lächelte immer noch, um mich zu reizen. „Entzieh dich mir nicht“, fl ü sterte er. „Weise mich nicht ab. Denn wenn du das tust, weist du dich selbst ab, du wirst dich der Akzeptierung der Realität deiner eigenen Existenz verweigern. Und das wirst du doch nicht können, Oliver, oder? Nicht, wenn du ewig leben willst. Ich bin eine Station, an der du auf de i nem Weg vorbei mußt. Wir haben es beide schon seit Jahren gewußt, ganz tief unten. Jetzt tritt es an die Obe r fläche, Ol. Jetzt tritt alles an die Oberfläche. Jetzt strömt alles zusammen, alles läuft auf diesen Zeitpunkt zu, Ol, auf diesen Ort, dieses Zimmer, diese Nacht. Ja? Ja? Sag ja, Oliver. Sag ja!“

40. KAPITEL
Eli
     
    Ich wußte nicht mehr, wer ich war und wo ich war. Ich war in Trance, in einer Wolke, in einem Koma. Wie mein eigener Geist irrte ich durch die Gänge des Schädelha u ses, trieb mich durch die kühlen, nachtdunklen Korridore. Die Schädel-Steinbilder starrten von den Wänden, gri n sten mich an. Ich grinste zurück. Ich zwinkerte, warf i h nen Kußhändchen zu. Ich blickte auf die Reihe massiver
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