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Bruderkampf

Bruderkampf

Titel: Bruderkampf
Autoren: Alexander Kent
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daß die kurzen, zischenden Wellen die Hochwassergirlande aus Schlamm und Algen schon beinahe bedeckten. Das sagte ihm, daß das Hochwasser bald erreicht sein würde. Mit etwas Glück würde er sein neues Schiff noch mit ablaufendem Wasser aus dem Hafen bekommen.
    Als er aus dem Windschatten der letzten Gebäudereihe trat, bemerkte er ein Boot. Es wartete darauf, ihn zum Schiff hinüberzubringen. Das kleine Fahrzeug dümpelte heftig in der Dünung, und die zum Salut erhobenen Riemen schwankten wie eine Zwillingsreihe nackter Bäume. Er vermutete, daß jeder Mann im Boot sein langsames Näherkommen beobachtete. An der Spitze der steinernen Mole zeichnete sich der vertraute, massige Umriß Stockdales, seines persönlichen Bootsführers, gegen die Wellen ab. Einen Freund zumindest würde er auf der Phalarope haben, überlegte Bolitho grimmig.
    Stockdale war ihm von einem Schiff zum anderen gefolgt, fast wie ein treu ergebener Hund. Bolitho fragte sich oft, was sie zusammenhielt; es war eine Bindung, die sich mit Worten nicht erklären ließ.
    Als frischgebackener Leutnant zur See war Bolitho einst mit einem Preßkommando an Land geschickt worden, damals während des unruhigen Friedens, als er sich für einen Glückspilz hielt, weil ihm das Ungemach so vieler erspart geblieben war, bei halbem Sold an Land gesetzt zu sein. Er hatte nur wenige Leute auftreiben können, doch als er gerade zum Schiff zurückkehren wollte, um sich dem Zorn seines Kapitäns zu stellen, war ihm Stockdale aufgefallen, der nackt bis zur Hüfte elend vor einer Kneipe stand. Sein robuster, vor Muskeln und Kraft strotzender Oberkörper beeindruckte Bolitho. Neben dem Mann verkündete ein Ausrufer lauthals, daß Stockdale ein berühmter Faustkämpfer sei. Jeder aus Bolithos Truppe, der ihn werfen würde, bekäme eine goldene Guinea, Auszahlung sofort. Bolitho war müde. Der Gedanke an einen kühlen Schluck, während seine Leute ihr Glück versuchten, besiegte seine inneren Einwände gegen dieses entwürdigende Spektakel.
    Zufällig gehörte zu seiner Truppe ein Stückmeister, der nicht nur ein sehr geübter Faustkämpfer war, sondern ein Mann, der sich daran gewöhnt hatte, mit den Fäusten oder auf jede ihm sonst geeignet erscheinende Art die Disziplin aufrechtzuerhalten.
    Der Stückmeister zog seinen Rock aus und ging, von den anderen Seeleuten angefeuert, zum Angriff über.
    Bolitho war sich nie genau darüber klargeworden, was sich als nächstes ereignet hatte. Es hieß, einer der Matrosen hätte Stockdale ein Bein gestellt. Das schien Bolitho wahrscheinlich, denn danach hatte er nicht wieder erlebt, daß Stockdale besiegt worden wäre. Aber an jenem Tag hatte Bolitho kaum nach seinem Bier gegriffen, als der Ausrufer auch schon wütend aufschrie, und die Matrosen gellend lachten.
    Bolitho sah, wie der Stückmeister seine Goldmünze wegsteckte, während der wutschäumende Ausrufer unter Drohungen und Flüchen Stockdale mit einer Kette prügelte.
    In diesem Augenblick begriff Bolitho, daß für Stockdale Treue wie eine Fessel war. Er wich den ungerechtfertigten Schlägen nicht aus, obwohl er seinen Peiniger mit einem Hieb hätte töten können.
    Mitleid oder Abscheu veranlaßten Bolitho einzuschreiten.
    Doch Stockdales stumpfer Dankesblick machte die Sache nur schlimmer. Während die grinsenden Matrosen und der Ausrufer mit den harten Augen ihn gespannt beobachteten, forderte er Stockdale auf, in den Dienst des Königs zu treten. Der Ausrufer erhob brüllend Protest, als er merkte, daß ihm seine Erwerbsquelle für alle Zeit genommen werden sollte.
    Doch Stockdale nickte nur kurz und griff wortlos nach seinem Hemd. Selbst jetzt sprach er selten. Seine Stimmbänder hatten bei den Kämpfen, die er über Jahre in einer Stadt nach der anderen austragen mußte, gelitten.
    Bolitho hatte sich eingebildet, daß der Fall mit seinem Eingreifen erledigt war. Aber es kam anders. Stockdale fügte sich in den Rhythmus an Bord, als habe er jahrelang auf einem Schiff gelebt. Trotz seiner Körperkraft war er sanft und geduldig, und nur etwas brachte ihn dazu, seine ruhige Lebensweise zu durchbrechen: Sobald Bolitho das Schiff wechselte, folgte er ihm.
    Anfänglich entschloß sich Bolitho, diese Tatsache zu ignorieren. Als er jedoch nach einiger Zeit ein eigenes Kommando erhielt und einen persönlichen Bootsführer brauchte, war Stockdale da und bereit. Genau wie jetzt.
    Stockdale starrte mit leerem Blick regungslos über das Wasser. Jetzt drehte er sich zu Bolitho
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