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Bruderkampf

Bruderkampf

Titel: Bruderkampf
Autoren: Alexander Kent
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Zuträger sein. Neale und Maynard, die anderen jungen Herren, schienen einigermaßen erfreulich zu sein, wenn sie auch die übliche, leicht lädierte Schnoddrigkeit zur Schau trugen, derer sich fast alle Fähnriche als Waffe gegen die Offiziere wie gegen die Mannschaften bedienten. Neale war klein und rundlich, er konnte nicht älter als dreizehn sein. Maynard, scharfäugig und mager wie ein Hecht, beobachtete seinen Kapitän mit einem starren und forschenden Ausdruck, in den man alles hineinlegen konnte.
    Dann die rangältesten Unteroffiziere, die Berufsseeleute.
    Evans, der Proviantmeister, ein kleines Frettchen in einem glatten dunklen Rock, wurde überragt von Ellice, dem rotgesichtigen und schwitzenden Schiffsarzt, der aus bekümmerten, feuchten Augen um sich blickte.
    Bolitho stand mit dem Rücken zur Fensterwand, die Hände hinter sich verschränkt. Er wartete, bis Vibart die Vorstellung beendet hatte, und sagte dann: »Wir werden einander sehr bald besser kennenlernen, meine Herren. Im Augenblick lassen Sie mich nur sagen, ich erwarte, daß Sie Ihr Bestes tun, um die Leute zu einer tüchtigen Mannschaft zusammenzuschweißen.
    Als ich Westindien verließ, standen die Dinge nicht gut für England. Es ist anzunehmen, daß die Franzosen unsere vielfältigen militärischen Verpflichtungen zu ihrem Vorteil nutzen werden. Wir werden bestimmt in Kämpfe verwickelt werden, und dann möchte ich, daß sich das Schiff bewährt.«
    Bolitho betrachtete die Gesichter, versuchte, den Vorhang der Wachsamkeit zu durchdringen. Sein Blick fiel auf Herrick, den Dritten Leutnant. Herrick war offenbar ein fähiger Offizier.
    Aber sein rundes Gesicht zeigte die Wachsamkeit eines Menschen, der, schon einmal betrogen, einem ersten Eindruck nicht mehr traut.
    Herrick sah zu Boden, als Vibart sagte: »Darf ich fragen, Sir, ob wir wegen der Unruhe, die wir an Bord hatten, nach Westindien geschickt werden?« Er suchte Bolithos graue Augen, und sein Ton klang herausfordernd.
    »Sie dürfen fragen.« Bolitho musterte ihn genau. Vibart hatte etwas Beherrschendes, eine innere Kraft, die die anderen zu bloßen Zuschauern zu degradieren schien. »Ich habe die Berichte und Logbücher genau gelesen«, sagte er ruhig. »Und ich bin zu dem Schluß gekommen, daß die halbe Meuterei«, er betonte das letzte Wort, »mindestens zur Hälfte durch Nachlässigkeit verursacht wurde.«
    Vibart erwiderte hitzig: »Kapitän Pomfret vertraute seinen Offizieren, Sir!« Er deutete auf die Bücher auf dem Tisch. »Aus den Logbüchern können Sie ersehen, daß das Schiff alles getan hat, was von ihm erwartet werden konnte.«
    Bolitho zog eins der zuunterst liegenden Bücher hervor und bemerkte, wie Vibart eine Sekunde lang unsicher wurde.
    »Mir ist schon oft aufgefallen, daß e in Strafregister mehr über die Tüchtigkeit eines Schiffs aussagt als vieles andere.« Er schlug lässig die Seiten um und verbarg gewaltsam den Ekel, den er bei der ersten Durchsicht empfunden hatte. »In den letzten sechs Monaten sind der Mannschaft mehr als tausend Hiebe verabreicht worden.« Seine Stimme klang kalt. »Einige Männer haben vier Dutzend auf einmal bekommen. Ein Mann ist offenbar nach der Bestrafung gestorben.«
    Vibart sagte heiser: »Mit Laschheit beherrscht man die Leute nicht, Sir.«
    »Auch nicht durch sinnlose Grausamkeit, Mr. Vibart!«
    Bolithos Stimme glich einer Peitsche. »Ich wünsche, daß auf meinem Schiff künftig nicht Brutalität, sondern das gute Vorbild regiert.« Er bemühte sich, seine Stimme wieder unter Kontrolle zu bekommen. »Außerdem wünsche ich, daß jeder Mann aus der Kleiderkammer anständige Sachen bekommen hat, ehe wir Falmouth erreichen. Dies ist ein Schiff des Königs, keine spanische Sklavengaleere.«
    In das schwere Schweigen, das plötzlich in der Kajüte herrschte, drangen die Geräusche des Schiffs und der See. Man hörte, wie die Decksausrüstung klapperte und knarrte, wie die Tide um das Ruder spülte, und vernahm gedämpfte Befehle.
    Das alles vertiefte Bolithos Gefühl der Einsamkeit.
    Er fuhr ruhig fort: »In Falmouth müssen wir alles daransetzen, unsere Besatzung auf die volle Zahl zu bringen.
    Ich werde Kommandos aus vertrauenswürdigen Leuten an Land schicken, um geeignete Männer für den Dienst zu rekrutieren.
    Keine Krüppel und Knaben, sondern Männer. Haben Sie mich verstanden?«
    Die meisten nickten. Leutnant Okes sagte vorsichtig: »Ich habe von Ihren Taten in der Gazette gelesen, Sir.« Er schluckte krampfhaft und
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