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Bruderkampf

Bruderkampf

Titel: Bruderkampf
Autoren: Alexander Kent
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auch nur eine Sekunde zu vergessen. Zu gefährlich sogar, diesen Augenblick, auf den er so lange gewartet hatte, bis ins Letzte zu genießen.
    Ein großer, kräftig gebauter Leutnant trat vor und zog den Hut. »Leutnant Vibart, Sir. Ich bin der Rangälteste.« Seine Stimme klang belegt und kratzend. Sein Gesicht blieb unbewegt.
    »Danke, Mr. Vibart.« Bolithos Augen glitten an Vibart vorbei über die ganze Länge des Schiffs. Auf den Planken, die die Back mit dem Achterdeck verbanden, drängten sich schweigend die Leute. Andere waren in die Wanten geklettert, um ihren Kapitän besser sehen zu können. Bolithos Blicke wanderten über die gut ausgerichteten Reihen der Geschütze, die hinter den geschlossenen Pforten festgezurrt waren. Ein guter Mann, dieser Erste Leutnant, was Geschick und äußere Erscheinung anlangte, dachte Bolitho.
    Vibart sagte mürrisch: »Mr. Okes und Mr. Herrick, der Zweite und der Dritte Leutnant, Sir.«
    Bolitho nickte, sein Ausdruck blieb unverbindlich. Zwei junge Offiziere, mehr nahm er nicht wahr. Die Menschen hinter den fremden Gesichtern würden später auftauchen. Jetzt war es wichtiger, daß sie von ihm einen klaren Eindruck gewannen.
    »Lassen Sie alle Mann achtern antreten, Mr. Vibart.« Bolitho zog seine Ernennungsurkunde aus der Innentasche des Mantels und entrollte sie, als die Leute vor ihm standen. Sie sahen gesund aus, aber ihre Kleidungsstücke glichen Lumpen. Einige steckten offenbar noch in den jetzt völlig zerfetzten Sachen, die sie getragen hatten, als sie zum Dienst gepreßt wurden. Er biß sich auf die Lippen. Das mußte geändert werden, und zwar sofort. Einheitliche Kleidung war überaus wichtig. Uniformität unterband den Neid unter den Leuten, und wenn auch nur den Neid auf ein paar armselige alte Fetzen.
    Bolitho begann zu lesen. Seine Stimme klang fest durch das Pfeifen des Windes und das stete Sirren der Takelage.
    Das Schriftstück war an Richard Bolitho, Esquire, gerichtet und forderte ihn auf, sich unverzüglich an Bord der Fregatte Seiner Britischen Majestät Phalarope zu begeben und als Kapitän die Verantwortung und die Befehlsgewalt zu übernehmen. Bolitho beendete die Verlesung, rollte das Pergament zusammen und blickte zu den Männern hinunter.
    Was dachten sie, was hofften sie in diesem Augenblick?
    »Ich werde den Leuten gleich noch mehr sagen, Mr. Vibart.«
    Funkelte in den tiefliegenden Augen des Leutnants etwas wie Ärger auf? Bolitho ignorierte es. Vibart schien alt für seinen Rang, mochte gut sieben oder acht Jahre älter sein als er. Die Aussicht auf ein eigenes Kommando durch die plötzliche Ankunft eines anderen zerschlagen zu sehen, war sicher nicht angenehm. »Sind Sie in jeder Hinsicht klar zum Ankerlichten?«
    Vibart nickte. »Ja, Sir.« Es klang, als wollte er sagen: »Natürlich!« »Wir haben vor einer Woche hierher verholt. Ein Leichter hat heute vormittag Frischwasser gebracht.
    Entsprechend den Befehlen des Admirals sind wir mit allem voll ausgerüstet.«
    »Sehr gut.« Bolitho wandte sich wieder der Mannschaft zu.
    Sir Henry Langford hat dem Zufall keine Chance eingeräumt, dachte er trocken. Indem er das Schiff mit allem Notwendigen ausrüstete und in einiger Entfernung von Land vor Anker gehen ließ, unterband er jede Möglichkeit, daß der Ungeist des Schiffs die Flotte vergiftete. Bolitho sehnte sich nach einigen Minuten des Alleinseins, um seine Order in Ruhe zu lesen. Sicher würde sie ihm einen weiteren Schlüssel für die Lösung des Rätsels geben.
    Er räusperte sich. »Nun, Leute, will ich euch etwas über unsere Bestimmung sagen.« Ihnen würde klar sein, daß er noch keine Zeit gehabt hatte, seine Offiziere vorher zu informieren, und dieser Beweis des Vertrauens konnte helfen, die Kluft zwischen Achterdeck und Back zu überbrücken.
    »England kämpft um sein Weiterbestehen. Während wir hier untätig vor Anker liegen, befindet sich unser Land im Krieg mit Frankreich und Spanien, mit den Holländern und den rebellierenden Kolonialisten in Amerika. Jedes einzelne Schiff wird für den Sieg benötigt. Jeder von euch ist wichtig für unsere gerechte Sache.« Bolitho hielt einige Sekunden inne. Seine Leute auf der Sparrow hätten jetzt Hurra gerufen und Beteiligung gezeigt. Bolithos Blicke glitten über die dichtgedrängten, ausdruckslosen Gesichter, und er fühlte sich plötzlich einsam und empfand Sehnsucht nach seiner kleinen Korvette.
    Er gab seiner Stimme einen härteren Klang. »Wir segeln noch heute nach Falmouth.«
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