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Bruderherz. Eine ägyptische Liebe. (German Edition)

Bruderherz. Eine ägyptische Liebe. (German Edition)

Titel: Bruderherz. Eine ägyptische Liebe. (German Edition)
Autoren: Tilman Janus
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zusammen?«
    Ich fühlte einen Schauer meinen Rücken hinablaufen. Was hatte er da gesagt? Wie kam er dazu, diesen Satz auszusprechen, diesen absurden Gedanken, den ich Tag und Nacht dachte und der niemals wirklich sein würde? Ich starrte ihn an und fand seine Augen auf einmal traurig. Ein pelziger Klumpen saß in meiner Kehle, weil ich erkannte, dass er mich wirklich liebte, obwohl er auch Narima liebte, und ich ihn nicht wirklich liebte, ihn nur sehr gern mochte und ihn schrecklich brauchte.
    »Ich kann dich nicht belügen, Karím«, sagte ich sehr leise. »Du würdest immer mein Freund bleiben. Aber ich könnte nie mehr mit einem anderen schlafen, nicht einmal mit dir, wenn Ascan ... aber es ist ganz unmöglich.« Ich spürte eine unerträgliche Hitze in mir aufsteigen. »Es ist ganz unmöglich!«, wiederholte ich rau. Ich sah Ascan vor mir, lachend, sah die weißen Zähne und die rosenrote Zunge, wie er den Kopf in den Nacken warf und rief: »Wenn, dann nicht mit einem Blutsverwandten!« Ich musste mir die Krawatte vom Hals zerren, denn ich bekam keine Luft mehr, riss am Hemdkragen, dass der oberste Knopf im weiten Bogen absprang, und schrie in dem voll besetzten Restaurant laut: »Ich erschlage alle, die ihn anrühren! Alle!«
    Karím verzieh mir den äußerst peinlichen Zwischenfall, wie er mir alles verzieh. Ich war allerdings nicht mehr in der Lage, den Vorträgen des Nachmittags geistig zu folgen. Als sie endlich vorbei waren, hatte ich nur noch den Wunsch, mich in mein Hotelzimmer zu verkriechen und zu schlafen.
    »Du musst unbedingt heute Abend zu uns kommen«, sagte Karím. »Narima wäre untröstlich sonst, sie hat ein phantastisches Essen vorbereitet.«
    Was für eine absurde Situation: Die Ehefrau wäre untröstlich, wenn der Liebhaber ihres Mannes nicht seine Aufwartung machen würde. Also war ich es ihnen schuldig, diesen beiden lieben, wunderbaren Menschen.
    »Ich komme sehr gern, Karím«, antwortete ich.
    Narima öffnete und schenkte mir einen strahlenden Blick aus ihren mit schwarzem Kajal umrandeten Augen. Sie drückte mich gleich im Flur an ihre üppigen Brüste. Ich wusste, dass diese Üppigkeit einer der Gründe war, weshalb Karím sie liebte. Ich war also geduldig, dankte für die Einladung, machte die gängigen Komplimente und überreichte meine Gastgeschenke.
    »Wir haben ganz überraschend noch einen zweiten Gast bekommen«, sagte Karím etwas verlegen.
    »Dann will ich gar nicht lange stören«, gab ich zurück und hoffte, doch noch schneller als erwartet in mein einsames Hotelbett schlüpfen zu können.
    »Du störst nicht, im Gegenteil, es wird dich interessieren. Komm herein!« Karím lächelte befangen. Narima entschwand in die Küche – leichtfüßig wie ein liebenswertes Nilpferd in Ballettschuhen.
    Ich trat in das kleine, mit altägyptischen Bildern und Statuenrepliken vollgestopfte Wohnzimmer ein. Da saß auf einem Hocker aus vergoldetem Kamelleder ein Mann, ein junger Mann, ein sehr schöner Mann. Sein Haar schimmerte tiefschwarz, seine Haut hell. Seine großen, dunkelbraunen Augen waren an den äußeren Winkeln leicht abwärts geschwungen. Seine Lippen wirkten voll und weich, und auf den glatten Wangen lag der ägyptische Bartschimmer.
    »Grüß dich«, sagte Ascan.
    Ich starrte ihn an wie eine übersinnliche Erscheinung.
    »Du … bist …«, stammelte ich fassungslos.
    »Dein Bruder wollte dich gerne überraschen«, fiel Karím schnell ein.
    »Die Überraschung ist gelungen«, krächzte ich. Ich ließ mich auf einen anderen Lederhocker fallen, ohne mich Ascan zu nähern, ohne ihm auch nur die Hand zu reichen.
    Narima kam herein mit einem großen Tablett voller Delikatessen.
    »Was hat er gesagt?«, fragte sie Ascan schelmisch auf Englisch. Es schien so, als hätte sie ihn sofort fest in ihr weites, mütterliches Herz geschlossen.
    »Nichts sehr Intelligentes«, erwiderte er in seiner bezaubernd frechen Art. Alle lachten, ich auch, wenn auch gezwungenermaßen.
    Dann aßen wir. Ich saß auf diesem lächerlichen Kamelhocker, musste freundlich und geistvoll sein und reden – mit meinem Geliebten, den ich nicht wirklich liebte, mit der Frau meines Geliebten, die so unglaublich gut zu mir war, und mit meinem Bruder, den ich so sehr liebte und den ich nicht haben durfte.
    Und irgendwann verabschiedeten wir uns, Ascan und ich, und gingen hinaus in das nächtliche Kairo.
    Tatsächlich lief ich also nachts in Kairo neben meinem Bruder über die Sharia Ramesses, die Ramsesstraße.
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