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Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See

Titel: Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See
Autoren: Diana L. Paxson
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zuckte und stöhnte.
    »Belutacadros!«, rief sie, wobei sie die mildtätigste Erscheinungsform wählte, die sie kannte. »Wir haben dich angerufen und dir unsere Hochachtung erwiesen. Geh sorgsam um mit dieser Frau, der Tochter deiner einstigen Priester. Sprich durch sie, auf dass wir dich hören, und füge ihr keinen Schaden zu!«
    Behutsam ließ sie das Schwert los, wich zurück und hob die Hände. Madrun zuckte und keuchte noch eine Weile, gleich einem Pferd, das sich gegen die Zügel auflehnt. Dann entwich die Anspannung ihrem Körper mit einem gedehnten Seufzer. Als das Mädchen wieder Luft holte, konnte Argante sehen, wie mit der Luft etwas anderes in sie strömte. Oder besser jemand anders, denn die Gestalt, die das Schwert hielt, stand plötzlich wie ein Krieger da, aufrecht und grimmig.
    »Lange… lange ist es her, seit ich zuletzt im Fleische wandelte…« Die ersten Worte erklangen als Flüstern, dann festigte sich die Stimme. Sie ertönte tief, mit einem leicht kehligen Akzent.
    Argante blinzelte, denn über der Gestalt ihrer Base erblickte sie, gleich einem Schleier, jene eines Mannes in einem Kettenhemd mit überlappenden Platten, die Züge halb unter einem Helm verborgen. Eine Weile schaute er sich in der Kammer um. Die Priesterinnen zuckten zusammen und neigten die Häupter, um seinem Blick auszuweichen. Zitternd zwang Argante sich, den eigenen Kopf hochzuhalten, und betete, sie möge den Mut besitzen, sich der Macht zu stellen, die sie heraufbeschworen hatte.
    Schließlich heftete der dunkle Blick sich auf sie. »Warum hast du mich gerufen?«
    »Mein Volk wird ausgelöscht, von allen Seiten bedrängt. Die Römer haben uns verboten, Waffen zu tragen, und nun haben sie uns aufgegeben. Schick uns einen Kriegsherrn.« Eine Weile musterte er sie, dann lachte er unvermittelt auf. Es war alles andere als ein tröstlicher Laut.
    »Du hast um Krieg gebeten, und Krieg sollst du haben. Die Feinde, über die du dich nun beklagst, sind Knaben im Vergleich zu jenen, die nach ihnen kommen werden.«
    »Was soll das heißen? Können wir denn gar nichts tun?«
    »Ich bin ein Gott der Gerechtigkeit. Was du erflehst, sollst du erhalten. Wenn eure Anführer ehrenvoll handeln, besteht vielleicht noch Hoffnung, doch wenn Gier sie beherrscht, werden sie alles verlieren. Nicht ich bestimme dieses Schicksal; ich lese nur in den Herzen der Menschen und sage dir, was ich sehe.«
    »Dann bitte ich dich, uns einen König zu bescheren, der ehrenvoll herrscht, der würdig ist, dieses Schwert zu schwingen!«
    Eine lange Weile betrachtete er sie, und die Kraft seines Blickes zwang sie auf die Knie. »Er wird kommen«, erklärte er endlich mit sanfter Stimme. »Nicht aus deinem Leib, aber aus deinem Blut. Du wirst dich einem Mann anvermählen, der die Kunst des Krieges beherrscht und ein reines Herz besitzt und der geschworen hat, sein Blut für dieses Land zu vergießen. Er wird den Norden durch Waffengewalt verteidigen, du durch die Kraft des Geistes. Tigernissa, Königin, wirst du niemals werden, doch ich benenne dich Branwen, die Weiße Rabin Britanniens, die das verborgene Reich regiert. Den Willen dafür hast du. Ob du auch die Weisheit besitzt, bleibt abzuwarten. Nutze deine Macht mit Bedacht.«
    Argante spürte, wie alle Farbe aus ihren Wangen wich und wieder zurückfloss.
    »Und was ist mit meiner Base, deren Leib dir gerade dient? Welches Schicksal ist ihr vorherbestimmt? «
    »Sie ist ein leeres Gefäß, das jede vorbeiziehende Macht zu füllen vermag. Eine wildere Macht als ich wird sich ihrer bemächtigen, doch du kannst sie nicht beschützen. Aber aus Wildheit wird Weisheit erwachsen, und das Kind, das sie austrägt, muss leben; denn durch seine Magie werdet ihr euren König erlangen.«
    Abermals schaute er sich um, und als Argante seine Stimme durch die Kammer hallen hörte, begriff sie, dass seine vorigen Worte allein für ihre Ohren bestimmt gewesen waren.
    »Erduldet, widersetzt Euch, begegnet Ehre mit Ehre, und aus eurem Kriegsherrn wird ein Friedenskönig werden, dessen Name fortbestehen wird, solange es dieses Land gibt.«
    Sein Blick wanderte zurück zu dem Schwert, dessen Griff er bedauernd umfasste. Dann schloss er mit einem leisen Seufzer die Augen. Einen Moment lang war Argante nicht sicher, was sie sah. Dann stand dort nur noch Madrun, benommen und bleich, und in dem Augenblick, als Argante begriff, dass der Gott sie verlassen hatte, wankte das Mädchen und stürzte zu Boden.
     
    Du wirst dich einem Mann
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