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Bring mir den Kopf vom Nikolaus - Ein Weihnachtsmaerchen

Bring mir den Kopf vom Nikolaus - Ein Weihnachtsmaerchen

Titel: Bring mir den Kopf vom Nikolaus - Ein Weihnachtsmaerchen
Autoren: Simon Borowiak
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unterwegs! Und sich von Kindern aus der ganzen Welt bewundern lassen! »Dabei sind die beiden so derart abgehalfterte Typen, man möchte es nicht glauben! Also, wenn ICH was zu sagen hätt e … Aber wir kleinen Feen sind doch immer die Dummen!«
    Obwohl sie mir in ihrer Wut doch etwas Angst einflößte, wagte ich noch einen kleinen Vorstoß in Richtung Wahrheitsfindung. Und fragte schlicht, woran ich denn erkennen könnte, ob ich es mit einer echten Fee zu tun habe.
    »Du darfst dir was wünschen!«, sagte sie patzig, »dann wirst du schon sehen!«
    Das Rentier schnaufte ablehnend.
    Ich überlegte nicht lange und sagte: »Ich wünsche mir eine Million Euro.«
    Die Fee lachte bitter auf: »Warum wünschen sich die Menschen bloß immer eine Million? Ich habe noch nie gehört, dass sich jeman d – zum Beispie l – 75 0 350 Euro wünscht. Nein, ich habe noch nie eine ungerade Summe gehört. Bei euch Menschen scheint das finanzielle Glück ab genau einer Million loszugehen.«
    »Und was ist jetzt trotzdem mit meinem Wunsch?«
    Nun wurde die Fee etwas kleinlauter: Über SOLCHE Beträge könne sie nicht verfügen; das habe mit der »völlig verkorksten Hierarchie« zu tun. Sie habe es schon mehrmals versucht, sich beruflich zu verbessern und in den Rang einer Hauptfee aufzusteigen, aber immer sei das Gesuch mit der fadenscheinigen Begründung abgelehnt worden, sie sei für einen solchen Posten noch nicht reif genug. Schließlich sei der sehr verantwortungsvol l … Aber das kenne man ja: Keine Hierarchie ohne Intrigen! Zum Beispiel der Nikolaus: Ein Chef-intrigant vor dem Herrn! DER könne Karrieren befördern oder eben auch bremsen. Und das mache er auch, der alte Sack! Der mische sich mit Elan fast überall ein: Pläne und Arbeitsbereiche der Feen, Zusammenstellung der Teams »Rentie r – Fee«, bis hin zu den Rahmenrichtlinien der Rentierausbildung und der Feenschulun g – in der Regel habe er mindestens ein Mal pro Jahr irgendwo eine Gastprofessu r – DA müsse ich ihn mal sehen, er blähe sich derart auf, dass es fast seinen roten Anzug spreng e …
    »Ja, aber was könnte ich mir denn dann wünschen? Welche Art Wünsche liegen in deiner Macht?«
    Die Fee reagierte erneut übersäuert: Nur weil sie keine Procura für solche Summen habe, müsse ich sie wunschtechnisch nicht für einen Rohrkrepierer halten. Beziehungsweise: Für eine Rohrkrepiererin! Innerhalb ihrer Grenzen sei sie nicht unbedeutend!
    NICHT-materielle Wünsche zum Beispiel könne sie fast sofort erfüllen. Sie müsse nur ein Formular ausfüllen: »Mein Kollege hier « – sie deutete auf das Rentie r – »wird das Ganze notariell beglaubigen, und schon kann’s losgehen mit der Wunscherfüllung.« Ich sah zu dem Tier und überlegte, wie ein Rentier wohl ein Formular beglaubigt.
    Die Fee schien meine Skepsis zu riechen und erklärte: »Er stempelt ab! Und zwar mit seinem Huf! Siehst du die schwarzen Flecken an seinem rechten Vorderhuf? Die kommen von der Tinte im Stempelkissen.«
    Ich beugte mich vor und betrachtete die merkwürdig linkischen Hufe des Rentiers. Tatsächlich waren am rechten Huf schwarze Ränder unübersehbar. Auch hielt das Tier diesen Huf etwas angewinkelt; es hatte ihn quasi hochkant gestellt, so wie es müde, ruhende Pferde manchmal mit ihren Hinterhufen machen. Da stand also ein etwas anderer Notar in meiner Zimmerecke, zwischen Tannenbäumchen und Fenster, und er schien seinen Platz hauptsächlich dazu zu nutzen, in die Fenster der Nachbarn zu lugen. Wenn er nicht gerade müde vor sich hin starrte, der seltsame Notar.

    »Das heißt, dass er lesen kann?«, wisperte ich der Fee zu. Ich wusste ja nicht, ob ein belesenes Rentier es als beleidigend empfinden würde, wenn man hinter seinem Rücken über es redete.
    »Sicher kann er das!«, wisperte die Fee zurück, »Das ist ja schließlich sein Job. Das kriegen die alles in der Rentierschule beigebracht. Lesen, Genehmigen und Stempeln sind bei denen die Hauptfächer.«
    »Ja, aber was ist mit Schlittenziehen?«
    Die Fee zuckte zusammen: »DAS Thema sollte man in seiner Gegenwart besser meiden. Nur die Elite, die wenigen Auserwählten dürfen einen Schlitten ziehen. Damit darf ich ihm gar nicht kommen, sonst ist der Abend gelaufen. Dann rührt der keinen Huf mehr vor lauter Schwermut.«
    Ich betrachtete weiterhin verstohlen dieses Wesen, das so geheimnisvoll und wortlos dastand.
    Der Fee passte es offenbar nicht, dass ich meine Aufmerksamkeit ihrem Kollegen und nicht ihr schenkte,
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