Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
bright darkness - strahlende Dunkelheit (German Edition)

bright darkness - strahlende Dunkelheit (German Edition)

Titel: bright darkness - strahlende Dunkelheit (German Edition)
Autoren: Kalea Thalanys
Vom Netzwerk:
einzige, worüber nie getratscht wurde, war meine Herkunft. Es war wie ein verbotenes Thema. Manchmal kam es mir sogar so vor, als hätten die Leute Mitleid mit mir und würden mich mit Samthandschuhen anfassen. Sie waren überaus freundlich und rücksichtsvoll.
    Trotzdem fühlte ich mich nie richtig zugehörig, wollte losziehen, die Welt entdecken, etwas Besonderes fertigbringen, doch ich liebte die Stadt nichtsdestotrotz zu sehr, um ihr zu entkommen.
    Seit mein Vater mit seiner neuen Frau und deren Tochter lebte, war unser Verhältnis nicht mehr so eng wie früher. Sie hassten mich und ich hasste sie. Davor war ich sein kleines Mädchen, er las mir jeden Wunsch von den Augen ab, verwöhnte mich wo er nur konnte, als würde ich das einzig Wichtige in seinem Leben sein, was es noch schwerer machte, plötzlich keinen Kontakt zu ihm zu haben. Ich hing noch immer an ihm, meine Brust zerriss bei dem Gedanken, von ihm zurückgewiesen zu werden. Andererseits erschien es mir logisch. Auch meine leibliche Mutter hatte mich einfach weggegeben. Irgendetwas an mir stimmte offensichtlich nicht, wenn jeder mich einfach abschrieb.
    Meine Adoptivmutter Carol wuchs in Philadelphia auf und es war nur eine Frage der Zeit, wann sie wieder dorthin zurück kehrt – mit mir im Schlepptau. Der Grund war ein neuer Job. Sie war mehr Freundin als Mutter für mich, hielt aber immer ein richtiges Gleichgewicht zwischen Freundin und Muttersein. Sie hatte es zugegebenermaßen nicht leicht mit mir, musste all meine unzähligen Wutausbrüche, tief verborgenen Gefühlsqualen, ständig wechselnden Launen und mein ungezügeltes Temperament über sich ergehen lassen. Sie war wie ein Stehaufmännchen, gegen das man immer wieder schlagen oder treten konnte und das immer wieder ohne Vorwürfe oder Gegenattacken aufstand. Sie beschützte, behütete, tröstete und begleitete mich durch alle Gefühlslagen, holte mich aus meinem Selbstmitleid und erinnerte mich an die schönen Dinge, die das Leben noch verbarg.
    Es war Freitagabend und wir packten angespannt und nervös unsere letzten Koffer für den Flug, der früh morgens startete. Unsere zukünftige Wohnung hatte Carol bereits eingerichtet. Sie flog für zwei Wochen alleine nach Philadelphia um alles vorzubereiten. Sogar ein kleines Auto hatte sie bereits gekauft, einen silbernen Toyota, der am Flughafenparkplatz bereitstand.
    Im Flugzeug bekam ich Panik. Es war mein erster Flug, deshalb wusste ich bisher nicht, dass ich unter Flugangst litt. Die Tränen schossen mir in die Augen als wir starteten und den sicheren Boden verließen. Mein Herz raste auf Hochtouren im Gleichklang zu den brummenden Turbinen. In meinen Gedanken sah ich bereits das Wrack nach dem Absturz, schwarze dicke stechende Rauchwolken, rote lodernde Flammen, verletzte blutige Überlebende, meine Mutter fast bewusstlos neben mir umherirren, die toten Körper, Blaulicht, Feuerwehrmänner, Polizei, Reporter und Schaulustige. Carol hielt meine Hand und streichelte mich beruhigend. Um mich von meinen Horrorvorstellungen abzuhalten, erzählte sie über unsere bevorstehende Zukunft,   Geschichten aus ihrer Kindheit, Schulerlebnisse aus längst vergangenen Tagen und von ihren ersten Erlebnissen mit Jungs, die ich bereits kannte.
    Für mich bedeutete das Stadtleben ständige Angst vor den fremden Menschen oder Überfällen. Von Selbstverteidigung hatte ich keine Ahnung. Wie sollte ich mich wehren, wenn mich jemand ausrauben sollte? Hätte ich überhaupt eine Chance? Wie präsent ist die Polizei in Philadelphia? Ein weiteres Angstthema war die Schule. Wie reagieren die Mitschüler auf mich? Werde ich dem Unterricht folgen können? Werde ich eine Außenseiterin sein? Finde ich neue Freunde? Das vertraute Gefühl von Geborgenheit, das man in einer Kleinstadt, wo jeder jeden kennt, genießt, verlor ich auf dem Weg nach Philadelphia.
    „Sarah, du wirst sicher schnell neue Freunde finden“, tröstete mich Carol als ob sie wüsste, woran ich gerade dachte.
    „Kann sein“, antwortete ich knapp, um nicht in Tränen auszubrechen.
    Mir war nicht zum Reden zumute. Ich sah aus dem Fenster und dachte über die Zukunft nach. Trotz meiner Offenheit neuen Dingen gegenüber war ich schüchtern, nicht redegewandt, eher durchschnittlich. Keineswegs selbstsicher genug, um die nächsten Tage ohne Magenschmerzen zu überstehen.
    „Wenn wir in unser neues Zuhause kommen und unsere Koffer ausgeladen haben, werden wir uns gemütlich aufs Sofa setzen und einen Film
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher