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Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt

Titel: Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt
Autoren: Colin Cotterill
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Vergebung bitten für die vielen Menschenleben, die er genommen hatte.
    Seine Füße tanzten hin und her, damit die Mücken es sich nicht auf seinen Knöcheln bequem machen konnten, und seine Gedanken tanzten mit. Er fragte sich, ob er je wieder mit seinem besten Freund hier sitzen und zu Mittag essen würde, wie Civilai den Rücktritt wohl verkraftete und ob er richtig gehandelt hatte. Er fragte sich, ob es vernünftig gewesen war, einer Zweckehe seinen Segen zu erteilen, und ob Richter Haeng ihn nun, da er die Republik vor der Anarchie bewahrt hatte, endlich in den verdienten Ruhestand entlassen würde. Er fragte sich, ob sich das Odeon vielleicht dazu bewegen ließe, zu besonderen Anlässen den einen oder anderen Bruce-Lee-Film aufzuführen. Diese und ähnliche Fragen hätte er sich vermutlich bis in alle Ewigkeit gestellt, wäre der Fluss seiner Gedanken nicht vom jähen Zirpen der Zikaden unterbrochen worden.
    Ein Blitzstrahl und ein Donnergrollen drüben in Thailand erinnerten ihn an Pakxe – und an Daeng. Das Gesteck aus cremefarbenen champa -Blüten lag in maulbeerblaues Papier gehüllt zu seinen Füßen. Er hatte unter Sperrfeuer komplizierte Operationen durchgeführt und mit bösen Geistern gerungen, aber noch nie hatte er so weiche Knie gehabt wie jetzt. Würde sie ihn nehmen? Er sah nicht besonders gut aus, ihm fehlte ein halbes Ohr, und es ließen sich gewiss tausend andere Gründe finden, ihm einen Korb zu geben. Doch Tante Bpoo hatte bestätigt, was ihm insgeheim längst klar gewesen war. Zumindest der erste Teil der Prophezeiung stimmte mit seinen Plänen überein: Bis zum Ende der Regenzeit werde er ein verheirateter Mann sein. Und die Zahl der potenziellen Kandidatinnen war nicht besonders groß.
    Er atmete tief durch und machte sich auf den Weg am Flussufer entlang, der ihn zu Daengs neuer Garküche führen würde. Die Trompetenbäume, die hier einst gestanden hatten, waren aus Sicherheitsgründen gefällt worden. Sie hatten der Armee den Blick auf den Feind jenseits des Mekong verstellt. Wären die thailändischen Grenzer in diesem Augenblick auf ihrem Posten gewesen, so hätten sie einen nervösen Dreiundsiebzigjährigen gesehen, der in Sandalen am laotischen Ufer entlangschlurfte und sich keine Gedanken darüber machte, dass er jederzeit erschossen werden konnte. Zwei Dinge bereiteten ihm weitaus größere Sorgen: erstens, wie er Daeng davon überzeugen konnte, dass er ehrenwerte Absichten verfolgte; und zweitens Tante Bpoos andere Prophezeiung, dass Dr. Siri und seine frischgebackene Braut zum laotischen Neujahr zwei kerngesunde kleine Knaben bekommen würden.
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