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Briefe an eine Freundin

Briefe an eine Freundin

Titel: Briefe an eine Freundin
Autoren: Wilhelm von Humboldt
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folgte ich nur meiner tiefsten Neigung; Vergnügen und Freude, und meine stille Verborgenheit war, ungekannt und ungeahnt von jedermann, höchst belebt und beseelt, ja
beseligt
, und war es allein durch diesen seelenvollen Briefwechsel, der nie wieder unterbrochen wurde, weder durch Reisen, noch durch Krankheiten, und bis in den Tod bestand. Dem mit mir übereinstimmenden Freunde war es eine besondere Befriedigung, daß ich so
schweigend
mein Heiligtum während eines halben Menschenalters bewahrte.
    Die letzten Jahre meines Lebens gewährten mir wieder mehr Muße, so konnte ich mehr und tiefer in den Geist der Briefe, der in allen und jedem einzelnen weht, mich versenken und vertiefen, in diesen reichen, hocherleuchteten
Geist, voll lauterer himmlischer Gesinnungen! Jahre habe ich mit diesen Briefen, und nur mit ihnen gelebt.
    Oft vertieft in die Ideen des vollendeten Freundes und zugleich versenkt in Nachdenken über dies einzige Verhältnis und das, was dadurch für Zeit und Ewigkeit in mir gereift war, schien es mir nicht recht, daß so viel Wahres, Großes und Gutes mit mir untergehen sollte. Es war allerdings nur für mich geschrieben, für mich und meine Art zu empfinden berechnet, aber die überzeugenden Wahrheiten, so klar ausgesprochen, die sicheren Wege zu innerem Glück und Ruhe so unverkennbar, so klar und milde gezeigt, daß die Erkenntnis heilsam für jedes gutgeartete Gemüt sein muß.
    Und das alles sollte mit mir untergehen? mit mir zernichtet werden? –
    Das war vielleicht die erste innere Aufforderung, das Segensreiche so oder anders zu erhalten!
    Ich fing an Auszüge zu machen, um solche im Manuskript Freunden zu hinterlassen, und erkannte bald, wie vergänglich solche Vermächtnisse sind und wie schnell verlesen. So stiegen nach und nach Gründe auf, so wertvolle Papiere durch den Druck zu erhalten. Ein großes Hindernis trat mir entgegen: der Widerwille an aller Öffentlichkeit. Was Freunden für mich hochehrend erschien, dünkte mir Entweihung. Ein zweites Hindernis war die Forderung einer
strengen Durchsicht, selbst teilweise einer gänzlichen Umschreibung der gemachten Auszüge. Schwierigkeiten aller Art entstanden. So waren, wie schon gesagt, Jahre nötig, den Entschluß der Veröffentlichung zu reifen. Auch kann diese erst nach meinem Ableben stattfinden. Die Zeit, die das Unbedeutende bald erbleichen läßt, verklärt das Große und wird auch den hohen Wert der Gaben steigern, die ich denen hinterlasse, die sie verstehen, würdigen und gewiß mit Freuden empfangen.
    Als heilige Pflicht erschien es mir nach dem gefaßten Entschluß, alle Auszüge selbst zu machen und eigenhändig zu schreiben. So sicherte ich Wahrheit und Treue auf einer Seite, indem ich auf der andern niemand verantwortlich machte. So kann ich aber nicht dafür einstehen, daß nicht Wiederholungen vorfallen. Ich bemerke dies im Vorbericht, um nicht später bei jedem einzelnen Fall daran zu erinnern. Ich bedarf gewiß Nachsicht und Verzeihung für solche Fehler, die ich begehen, ja nicht werde vermeiden können, da ich den Entschluß der Herausgabe zu spät gefaßt habe, und keine fremde Hilfe erbitten noch zulassen will. Man ist wohl so gütig, wenn bei aller Sorgfalt Wiederholungen der Art vorfallen, solche Stellen zu überschlagen. Der Verfasser ist es ja allein, der Interesse erregt und gewährt, und was er schreibt, entschädigt reichlich, wo mich Tadel trifft.
    Von meinen Briefen ist, wie ich das gewünscht und erbeten hatte, nichts erhalten; nur von einzelnen habe ich Abschrift oder Fragmente bewahrt, um Ereignisse im Gedächtnis festzuhalten, die mir selbst nicht entschwinden sollten. Dies werde ich als Zusätze nachtragen, wo es nötig ist.
     
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An den Freiherrn von Humboldt
,
K. Pr. Staats-Minister, auf dem Kongreß in Wien.
     

    N icht an Ew. Exzellenz, nicht an den Preußischen Staatsminister, – an den unvergessenen, unvergeßlichen Jugendfreund schreibe ich, dessen Bild ich eine lange Reihe von Jahren verehrend im Gemüt bewahrt, und gern und viel dabei verweilt habe, der nie wieder von dem jungen Mädchen hörte, das ihm einst begegnete, mit dem er drei fröhliche Jugendtage verlebte in jenen schönen Gefühlen, die uns spät in Erinnerung beseligen und erheben. Der Name, auf den die Welt jetzt mit großen Erwartungen blickt, der Platz, auf den Sie früh durch Geist und Namen gestellt waren, machte es mir nicht sehr schwer, von Ihnen zu hören und Sie mit meinen Gedanken zu begleiten.
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