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Brennpunkt Nahost

Brennpunkt Nahost

Titel: Brennpunkt Nahost
Autoren: Joerg Armbruster
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uns ahnen, was die Bewohner von Al Haffah in den letzten Wochen mitgemacht haben. Einige Häuser brennen noch, das kleine Städtchen wie ausgestorben.
    Bewaffnete der syrischen Staatssicherheit begleiten unseren Konvoi, zum Schutz, wie sie sagen, aber wohl auch zur Bewachung. Kaum einem Menschen begegnen wir. Dennoch sichern Soldaten, als könne jederzeit der Krieg neu ausbrechen. Sie trauen dem Frieden nicht.
    Das örtliche Parteigebäude niedergebrannt. Das dürften die Rebellenkämpfer gemacht haben, die die Stadt eine Woche lang besetzt hatten. Vor unserer Ankunft wurde dieser verbrannte Schreibtisch noch schnell mit einem Assad-Bild dekoriert.«
    Die Eingangstüren der Privathäuser sind nur angelehnt. In den Wohn- und Schlafzimmern großes Durcheinander. Sofas und Stühle umgekippt, Schränke sperrangelweit auf, der Inhalt auf dem Boden verstreut. Alles sieht nach überstürztem Aufbruch aus, nach Flucht und Plünderung. In einer Küche jammert ein Wellensittich in seinem Käfig, offensichtlich hat er seit Tagen kein Wasser mehr bekommen.
    »Die Bewohner dieser Häuser sind erst vor wenigen Tagen geflohen, Hals über Kopf. Wohl, um sich als Sunniten vor Assads Rache zu retten.
    Bewohner des Städtchens haben wir nicht getroffen. Wir wissen nicht, ob sie alle geflohen sind und vor allen Dingen: wohin. Die Türkei ist nicht weit. Die Aufständischen hatten befürchtet, dass es nach ihrem Abzug zu einem Massaker kommen könnte. Solche Spuren haben wir nicht gefunden.
    Die meisten Geschäfte niedergebrannt und geplündert. Ganze Straßenzüge zerstört. Wer für die Plünderungen verantwortlich ist, die Armee oder die geflohenen Rebellen, können wir nicht feststellen.
    Einer der zurückgebliebenen Stadtbewohner behauptet, die Terroristen seien es gewesen. Die hätten alles zerstört. Immerhin hätten sie sein Geschäft nicht niedergebrannt, wie sie es bei anderen getan haben. Das ist die Sprache des Assad-Staats, und wir wissen nicht, ob er es ernst meint. Vielleicht die Wahrheit, vielleicht Schutzbehauptung, aus Angst vor der Armee im Dorf. Doch einen Großteil der Zerstörungen haben wohl Assads Soldaten zu verantworten. Spuren von schweren Waffen überall. Mit Hubschraubern und Panzern hatte sie Al Haffah bombardiert. Inzwischen fast schon Alltag in Assads Syrien.«
    Shabiha-Miliz
    Shabiha ist arabischs und bedeutet Geister. In den neunziger Jahren als Mafiabande entstanden, machte sie Geld durch Erpressungen, Drogenschmuggel und -handel, Auftragsmorde und Korruption. Entstanden in der Gegend von Latakia, als alawitische Bande von den Sicherheitskräften angeblich geduldet. Sie schweben wie Geister über dem Gesetz. Die meisten sind Alawiten, darunter viele aus den Gefängnissen entlassene Kriminelle.
    Mit Ausbruch der Aufstände werden diese Verbrechermilizen für das Grobe eingesetzt: für Massenmorde, für Folter, für Vergewaltigung, Plünderungen und Vertreibungen. Sie werden häufig im Zusammenhang mit Massakern an Zivilisten genannt, beispielsweise das von Hula. Bei einem großen Teil der Bevölkerung und bei der Freien Syrischen Armee sind sie gefürchtet und verhasst. Wohl auch deshalb gehen FSA-Kämpfer besonders unbarmherzig mit gefangenen Shabihas um.
    Chefs der Shabiha sollen die beiden Baschar-Cousins, Fawaz al-Assad und Munzer al-Assad sein. Die Mannschaftsstärke ist nicht bekannt. Schätzungen schwanken zwischen ein paar tausend und zehntausend.
    Das war im Juni 2012. Schon ein halbes Jahr später wäre eine solche Fahrt quer durch das Land, von Damaskus bis in die Nähe der türkischen Grenze, lebensgefährlich gewesen.
    Bei dem letzten Besuch in Damaskus Ende Juli 2012 bis Anfang August konnten wir dank der UN-Beobachter in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt Orte besuchen, in denen zwei Tage vorher die Armee ein Blutbad angerichtet haben soll. Das zumindest hatte die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte behauptet, die der Exil-Opposition nahesteht. Zweifellos eine umstrittene Organisation. In diesem Fall trafen aber leider ihre Informationen zu. Es war nicht ein einzelner Ort, wo das Morden stattgefunden hatte, es waren mehrere, Garagen, Wohnhäuser, Gärten. Von diesen Orten des Grauens berichteten wir damals ebenfalls für die Tagesschau. Die Schrecken dieses Bürgerkrieges konnten wir in unserem Bericht die Zuschauer nur ahnen lassen:
    »Am vergangenen Mittwoch: Aufständische schlagen Alarm. Assads Armee habe junge Syrer ermordet. Unbewaffnete. Diese Bilder
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