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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land
Autoren: Bruce Sterling
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scheint sehr müde zu sein«, meinte Oscar.
    Diese Bemerkung ärgerte den PR-Mann. Er setzte den Bourbon ab und musterte Oscar. Seine Augen glichen Austernschalen. »Yeah. Das stimmt. Mein Vorgesetzter ist müde. Er hat seinen Diensteid gebrochen, und er raubt US-Bürger aus, die Leute, auf die er vereidigt wurde. Sowas kann einen schon müde machen.«
    Oscar hörte aufmerksam zu.
    »Der Kommandant hatte keine Wahl, wissen Sie. Entweder er zieht diese Sache durch, oder er schaut zu, wie seine Leute in den Unterkünften verhungern. Es ist kein Geld mehr da. Es gibt kein Benzin, keinen Sold, keine Ausrüstung, nichts. Und das bloß deshalb, weil Ihr Hurensöhne in Euren Seidenanzügen es nicht schafft, den Haushalt zu verabschieden.«
    »Mein Mann ist gerade erst nach Washington gegangen«, sagte Oscar. »Geben Sie uns eine Chance.«
    »Mein Mann ist ein dekorierter Offizier! Er war bei Panama Drei, Irak Zwo und in Ruanda dabei! Er ist kein gottverdammter Politiker – er ist ein Nationalheld! Und jetzt brechen die Bundesstaaten auseinander, und der Gouverneur ist durchgeknallt, und er ist immer noch Kommandant und wird anschließend seinen Kopf hinhalten müssen. Wenn alles vorbei ist, wird er dafür büßen müssen. Die Untersuchungskommission wird ihn zerreißen.«
    Oscar ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Eben deshalb muss ich nach Washington.«
    »Für welche Partei arbeiten Sie?«
    »Senator Bambakias wurde mit einer relativen Stimmenmehrheit von achtunddreißig Prozent gewählt«, sagte Oscar. »Er fühlt sich keiner Parteidoktrin verpflichtet. Er zieht Wähler aller Parteien an.«
    Der PR-Mann schnaubte. »Ich will wissen, welcher Partei Sie angehören.«
    »Den Demokraten.«
    »Du meine Güte.« Der Mann neigte den Kopf und schwenkte die Hand. »Gehen Sie nach Hause, Yankee. Leben Sie.«
    »Wir gehen gleich«, sagte Fontenot und setzte den Pappbecher ab, ohne davon getrunken zu haben. »Können Sie uns zufällig ein gutes Restaurant hier in der Gegend empfehlen? Ein Cajun-Lokal, meine ich? Wir sind zu zwölft.«
     
    Der junge Wachposten an der Tür salutierte freundlich, als sie aus dem Touristenzentrum traten. Oscar steckte den Ausweis sorgfältig in die Brieftasche aus glattem Leder. Er wartete, bis sie außer Hörweite des Postens waren. »Er mag ja sturzbetrunken sein, aber über die hiesigen Restaurants weiß er jedenfalls Bescheid.«
    »Mit sowas kennen Journalisten sich aus«, erwiderte Fontenot. »Wissen Sie was? Ich kenne den Burschen. Ich bin ihm schon mal begegnet, im Battledore in Georgetown. Er speiste gerade mit dem Vizepräsidenten. An seinen Namen kann ich mich ums Verrecken nicht mehr erinnern, an sein Gesicht aber schon. Er war mal ein bekannter Auslandskorrespondent, ein hohes Tier in den alten TV-Kabelnetzen. Das war, bevor er als Infokriegsagent geoutet wurde.«
    Oscar ließ die Neuigkeit einsinken. Als politischer Berater kannte er natürlich viele Journalisten. Außerdem war er einer Reihe von Agenten begegnet. Journalisten hatten im Spiel der Macht sicherlich ihren Nutzen, Agenten aber hielt er für eine deformierte und nicht sehr kluge Subspezies des politischen Beraters. »Haben Sie unsere kleine Unterhaltung eben zufällig aufgezeichnet?«
    »Ja«, sagte Fontenot. »Das mache ich meistens. Zumal wenn ich mir sicher bin, dass mein Gegenüber ebenfalls mitschneidet.«
    »Sie sind ein guter Mann«, sagte Oscar. »Die Highlights der Unterhaltung würde ich gern zusammenfassen und an den Senator weiterleiten.«
    Oscars und Fontenots Verhältnis während des Wahlkampfs war von höflichem Respekt gekennzeichnet gewesen. Fontenot war doppelt so alt wie Oscar, gerissen und paranoid, stets gewissenhaft darauf bedacht, die körperliche Unversehrtheit des Kandidaten zu gewährleisten. Jetzt, da der Wahlkampf unbeschadet überstanden war, wirkte Fontenot wesentlich lockerer als zuvor. Er machte den Eindruck, als habe er gerade einen Anfall von Offenheit. »Darf ich Ihnen einen kleinen Rat geben? Sie brauchen mir nicht zuzuhören, wenn Sie nicht möchten.«
    »Sie wissen doch, dass ich stets auf Ihren Rat höre, Jules.«
    Fontenot sah ihn an. »Sie wollen in Washington Bambakias’ Stabschef werden.«
    Oscar zuckte die Achseln. »Das habe ich nie abgestritten, oder?«
    »Sie sollten besser im Ausschuss bleiben. Sie sind ein aufgeweckter Bursche, und ich glaube, Sie könnten in Washington einiges zu Wege bringen. Ich habe miterlebt, wie Sie die hoffnungslosen Trottel in der Mannschaft wie
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