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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land
Autoren: Bruce Sterling
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Langstreckenflugzeug.
    Norman befestigte den Beiwagen und überprüfte die Batterie. »Keine Tricks«, warnte ihn Oscar, kletterte in den Beiwagen und legte sich den Hut auf den Schoß. Sie setzten die Schaumstoffhelme auf, dann fädelten sie sich hinter einem Plattformwagen mit Elektromotor auf den Highway ein.
    Wie immer fuhr Norman wie ein Verrückter. Norman war jung. Er war noch nie ein Fahrzeug ohne automatische Steuerung und Gleichgewichtssysteme gefahren. Er fuhr ohne körperliche Anmut, als versuchte er, mit den Beinen Algebra zu betreiben.
    Die Dämmerung senkte sich allmählich auf die Pinien herab. An der Ostseite der Brücke über den Sabine River staute sich der Verkehr auf zwei Kilometern Länge. Oscar und Norman flitzten übers Bankett, wobei der Beiwagen mit cybernetischer Gewandheit die Muschelschalen zermalmte. Die Insassen der im Stau gefangenen Wagen übten sich in stoischer Gelassenheit. Die großen Transportfahrzeuge – gespenstisch aussehende Biochemietanklaster und schmierige, übelriechende Fischtransporter – wendeten bereits. Straßenblockaden waren bedauerlicherweise an der Tagesordnung.
    Die Tourismusbehörde von Louisiana unterhielt am Flussufer, unmittelbar an der Staatsgrenze, ein Informationszentrum für Touristen. Es handelte sich um ein rührend hässliches Gebäude im historischen Vorbürgerkriegsstil mit weißen Säulen.
    Ein riesiger mattschwarzer Armeehubschrauber hockte auf seinen Kufen neben dem Highway, ein zutiefst grotesker mechanischer Wächter. Der schwarze Hubschrauber beleuchtete die Straße mit blendend hellen bläulichen Scheinwerfern. Die gewaltige Maschine war mit den skelettartigen Waffen der Luftwaffe gespickt. Die alten Luft-Boden-Waffen waren so wahnsinnig kompliziert und archaisch, dass sich ihre Funktionsweise Oscars Begreifen entzog. Waren das nun Pfeilschleudern? Teilchenbeschleuniger? Oder vielleicht Strahlenkanonen? Die Waffen wirkten wie eine albtraumhafte Mischung aus Neunaugenzähnen und Nähmaschinen.
    Im blendend hellen Scheinwerferlicht des Hubschraubers hielten blauuniformierte Luftwaffenangehörige die Fahrzeuge an, welche Louisiana verlassen wollten. Die Insassen, texanische Touristen zumeist, wirkten angemessen eingeschüchtert.
    Die Soldaten führten eine raffinierte Erpressung durch. Sie holten weiße Kühlboxen aus Dreirädern mit Faltdach und Tretantrieb hervor und konfrontierten die Reisenden mit deren Inhalt.
    Norman-der-Praktikant studierte Ingenieurwissenschaft. Er riss seinen bewundernden Blick von den furchteinflößenden Waffen des Hubschraubers los. »Ich habe eher eine Art Party erwartet, wie bei den coolen Motorradzigeunern, die uns in Tennessee aufgehalten haben«, bemerkte Norman. »Vielleicht sollten wir uns besser aus dem Staub machen.«
    »Da ist Fontenot«, entgegnete Oscar.
    Fontenot winkte sie zu sich herüber. Sein Fortbewegungsmittel, ein gedrungenes, elektrisch angetriebenes Geländefahrzeug, hockte über dem Straßengraben. Der Sicherheitsbeauftragte trug einen langen gelben Regenmantel und dreckbespritzte Jeans.
    Es war beruhigend, Fontenot zu sehen. Fontenot hatte für den Secret Service gearbeitet und war in Sicherheitsfragen ein alter Hase. Fontenot kannte mehrere amerikanische Präsidenten persönlich. Als er sein linkes Bein verloren hatte, war er für einen Ex-Präsidenten als Bodyguard tätig gewesen.
    »Die Air Force ist gegen Mittag eingeflogen«, setzte Fontenot sie ins Bild, stützte sich auf die gepolsterte Stoßstange seines Geländefahrzeugs und senkte das Fernglas. »Haben Klebstoffbomben und Schaummittel abgeworfen. Dazu kommen die Sperrelemente und der Stacheldraht.«
    »Ist wenigstens der Straßenbelag noch heil?« fragte Norman.
    Fontenot strafte Norman mit herzlicher Nichtbeachtung. »Die Spur mit den Wagen aus Texas kann problemlos passieren, Fahrzeuge mit Nummernschildern aus Louisiana werden durchgewinkt. Widerstand gab es keinen. Die Reisenden aus anderen Bundesstaaten plündern sie aus.«
    »Das klingt plausibel«, meinte Oscar. Er nahm den Helm ab, kämmte sich mit einem Taschenkamm und setzte den Hut auf. Dann stieg er behutsam aus dem Beiwagen, wobei er darauf achtete, sich nicht die Schuhe schmutzig zu machen. Das Ufer des Sabine River war in Louisiana ein einziger Sumpf.
    »Warum tun sie das?« fragte Norman.
    »Sie brauchen das Geld«, antwortete Fontenot.
    »Wie?« meinte Norman. »Die Air Force?«
    »Der Luftwaffenstützpunkt bekommt kein Geld mehr vom Staat, um seine Stromrechnungen
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