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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land
Autoren: Bruce Sterling
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damit beschäftigt, eine völlig neue Mannschaft um sich zu versammeln, den Washingtoner Stab, der ihm beim Regieren helfen sollte. Nach monatelanger hektischer, aufopferungsvoller Teamarbeit hatte man die Wahlkämpfer mit einem Scheck und einem warmen Händedruck verabschiedet.
    Oscar Valparaiso war Bambakias’ politischer Berater gewesen. Zudem hatte er den Wahlkampfeinsatz geleitet. Nach dem Wahlsieg hatte er mühelos eine neue Stelle gefunden. Nachdem im Hintergrund rasch ein paar Hebel in Bewegung gesetzt worden waren, hatte Oscar beim Wissenschaftsausschuss des US-Senats als politischer Berater angeheuert. Senator Bambakias würde diesem Ausschuss bald angehören.
    Oscar hatte Ziele, einen Auftrag, Optionen, taktisches Geschick, eine Zukunft. Den anderen Mitgliedern des Wahlkampfteams gingen diese Dinge ab. Oscar war sich dessen bewusst. Er kannte diese Menschen nur allzu gut. In den vergangenen achtzehn Monaten hatte er sie eingestellt, sie bezahlt, sie geleitet, ihnen gut zugeredet, sie zu einem Team zusammengeschweißt. Er hatte Büros für sie angemietet, ihre hohen Ausgaben überwacht, ihnen Titel zugewiesen, ihren Zugang zum Kandidaten geregelt und bei finanziellen Problemen und romantischen Verwicklungen geschlichtet. Zu guter Letzt hatte er sie alle zum Sieg geführt.
    Oscar war noch immer ein Machtzentrum, daher hielt sich seine Mannschaft instinktiv in seinem Kielwasser. Sie befanden sich ›im Urlaub‹, alle miteinander Politprofis, die darauf warteten, dass sich irgendetwas ergab. Der Korpsgeist in Oscars Gefolge aber war ebenso widerstandsfähig wie ein Glückskeks.
    Oscar ergriff die braunrote Schultertasche und steckte nach reiflicher Überlegung eine kleine nichttödliche Sprühpistole hinein. Yosh Pelicanos, Oscars Majordomus und Stellvertreter, reichte ihm eine prallvolle Geldkarte. Pelicanos war sichtlich müde und nach den langen Siegesfeiern noch etwas verkatert, trotzdem aber voll auf dem Posten. Als zweiter Mann hinter Oscar legte Pelicanos Wert darauf, sich stets als verlässlich zu erweisen.
    »Ich komme mit«, murmelte Pelicanos, während er nach seinem Hut suchte. »Ich muss mich bloß noch anziehen.«
    »Du bleibst hier, Josh«, erwiderte Oscar gelassen. »Wir sind fern der Heimat. Du behältst den Bus im Auge.«
    »Ich hol mir einen Kaffee«. Pelicanos gähnte und schaltete automatisch die Satellitennachrichten ein, was zur Folge hatte, dass ein Busfenster von einem Datenschwall ausgelöscht wurde. Er machte sich auf die Suche nach seinen Schuhen.
    »Ich begleite Sie!« beharrte Norman strahlend. »Na los, Oscar, nehmen Sie mich mit!« Norman-der-Praktikant war der letzte vom Wahlkampf übriggebliebene Laufbursche. Zuvor hatten ganze dreizehn Praktikanten Bambakias’ Wahlkampftruppe angehört, doch die anderen unbezahlten Freiwilligen waren in Boston zurückgeblieben. Norman-der-Praktikant jedoch, ein Collegestudent vom MIT, hatte sich nicht abschütteln lassen, sondern unablässig weitergerackert, wobei er sich auf schier übermenschliche Weise verausgabte. Die Wahlkampfcrew hatte ihn mehr aus Gewohnheit denn aufgrund einer bewussten Entscheidung mit in die ›Ferien‹ genommen.
    Die Tür öffnete sich mit einem scharfen pneumatischen Zischen. Zum ersten Mal nach der Durchquerung von vier Staaten traten Oscar und Norman ins Freie. Nachdem sie Hunderte von Stunden im Fahrzeug zugebracht hatten, betraten sie den Erdboden, als setzten sie den Fuß auf einen fremden Planeten. Oscar registrierte mit leichtem Erstaunen, dass das Bankett mit Tonnen von zerbrochenen Muschelschalen bedeckt war.
    Das hohe Unkraut am Straßenrand war plattgedrückt vom Wind und bräunlich grün. Der Wind kam von Osten und wehte Schwefelgeruch heran – bioindustriellen Gestank. Ein Gestank wie von einer monströsen Brauerei, die mit genmanipulierten Zutaten arbeitete: wie von überzüchteter Hefe, die frischgemähtes Gras umwandelte. Silberreiher entfernten sich in V-Formation unter dem bedeckten Himmel. Es war Ende November 2044, und der Südwesten Louisianas bereitete sich halbherzig auf den Winter vor. Wer aus Massachusetts stammte, bekam davon nicht viel mit.
    Norman hob ein Motorrad vom Träger am Heck des Busses. Die Motorräder waren in Cambridge, Massachusetts, entworfen und hergestellt worden und mit Gewerkschaftsabzeichen, Sicherheitswarnungen und Softwarehinweisen beklebt. Es sah Bambakias ähnlich, Motorräder zu kaufen, die mehr Elektronik eingebaut hatten als ein
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