Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brennende Sehnsucht

Brennende Sehnsucht

Titel: Brennende Sehnsucht
Autoren: Celeste Bradley
Vom Netzwerk:
an war sie Herrin über ihr eigenes Schicksal.
     
    Rafe schleppte sich die Straße nach London entlang. Sicher war er nicht der Einzige, der hier unterwegs war, nicht einmal so früh am Morgen, da die Sonne kaum über den Horizont linste. Aber außer ihm war weit und breit niemand zu sehen.
    Selbst wenn ihm ein Karren begegnet wäre, war er sich
nicht sicher, ob irgendjemand diesem zerlumpten und verdreckten Kerl zu Hilfe gekommen wäre, der sich da in staubigen Stiefeln vorwärtsschleppte. Rafe war sich dessen bewusst, dass niemand ihn erkennen würde – aber bei seinem Ruf würde es ihm möglicherweise auch gar nichts einbringen, erkannt zu werden!
    Derartige Gedanken trugen nicht dazu bei, die erdrückende Machtlosigkeit zu lindern, die ihn zu ersticken drohte. Er konnte sich nicht schneller bewegen, denn er konnte seine Beine nicht mehr zum Laufen zwingen. Er hatte seit Tagen nichts Richtiges mehr gegessen. Gerne hätte er um Hilfe gebeten, aber er hatte kein Dorf, ja nicht einmal einen Bauernhof gesehen, seit der Himmel sich im Osten erhellt hatte.
    Reine Willenskraft und seine Sehnsucht nach Phoebe hielten ihn aufrecht.
    Tu’s nicht, meine Liebste.
    Warte auf mich.
     
    Nachdem Patricia ihr beim Ankleiden geholfen und ihre Frisur gemacht hatte, schickte Phoebe sie fort, damit sie sich als Nächstes um Sophie kümmerte. Die freundliche Zofe war sanft und sensibel, doch Phoebe wünschte sich nichts sehnlicher, als allein zu sein.
    Natürlich musste der Vikar genau diesen Moment abpassen, um ihr einen Besuch abzustatten.
    Er lehnte im Türrahmen und trug seine übliche dunkle Kleidung und die streng gebundene Halsbinde, als wäre er auf dem Weg zu einem Begräbnis und nicht zur Hochzeit seiner Tochter.
    Vielleicht war auch sie diejenige, die für einen solchen Tag zu gut gekleidet war. Phoebes Blick wanderte zurück auf den sonnigen Garten.
    »Ich habe einmal fast einen Mann umgebracht.«

    Phoebe drehte sich überrascht um.
    »Er war ein Rivale, ein Verehrer deiner Mutter. Ich habe ihn fast zu Tode geprügelt, mit nichts als meinen Fäusten und der Wut in meinem Herzen.« Der Vikar schaute aus ihrem Fenster. Seine geistesabwesende Miene und die Ausdruckslosigkeit seiner Stimme passten nicht so recht zum Inhalt seiner Worte.
    Es war unmöglich – eine Lüge -, aber der Vikar log niemals. Sicher, er verschwieg die Wahrheit, aber niemals log er.
    »Er hat es überlebt, wenn auch nur knapp. Ich glaube nicht, dass er sich jemals vollkommen davon erholt hat, selbst wenn er heute noch leben sollte.« Der Vikar streckte die Hand aus und schnippte mit einem Finger eine Staubfluse vom Vorhang. »Ich würde sehr gerne behaupten können, dass er es verdiente, dass er ein schreckliches Vergehen begangen oder sich unehrenhaft verhalten hatte – aber er hatte nichts getan. Er hatte mich nur mit meiner unterwürfigen Verehrung für Audrey aufgezogen, es mochte im Scherz gemeint gewesen sein, ich kann mich nicht daran erinnern. Ich habe mich auf ihn gestürzt, ihn zu Boden gerissen und immer wieder auf ihn eingeschlagen.«
    Phoebe sah, wie ein Zittern die Finger der ausgestreckten Hand des Vikars ergriff. Es war das einzige Anzeichen für ein Gefühl.
    »Dabei hatte er sogar recht. Ich war diesem Mädchen, das ich kaum kannte, viel zu sehr zugetan, doch so war es von unserer allerersten Begegnung an gewesen. Ich berührte ihre Hand, und jedwede Gedanken an andere Frauen waren aus meinem Kopf geblasen. Ich war verrückt nach ihr, nicht in dem Sinn, wie ihr jungen Leute das Wort heute verwendet. Ich war buchstäblich von Sinnen. Ich weiß nicht, wie ich dieses Gefühl sonst beschreiben soll. Es war, als bekäme ich
keine Luft, wenn sie nicht im Zimmer war, als wäre sie selbst meine Atemluft.«
    Das kenne ich. O ja! Das kenne ich.
    »Danach hat sie mich fortgeschickt. Ich habe darum gebettelt, bleiben zu dürfen, habe sie auf Knien angefleht. Ich habe ihr mit meiner Leidenschaft Angst eingejagt, aber sie blieb standhaft und bestand darauf, dass ich ging und erst dann wiederkam, wenn ich meinen Wahnsinn unter Kontrolle gebracht hatte.«
    Er wandte sich vom Fenster ab und den Erinnerungen, die sich in ihm gespiegelt hatten. Er atmete tief ein und strich die Aufschläge seines Gehrocks glatt. Sein Blick, so kühl und grau wie immer, ruhte auf ihrem Gesicht. »Ich bin der Kirche beigetreten«, fuhr er fort, als hätte er nichts Wichtigeres besprochen als ein neues Altartuch. »Ich wandte mich an die kalten Steine der Abtei, um die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher