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Brennende Schuld

Brennende Schuld

Titel: Brennende Schuld
Autoren: Burkhard Driest
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Abwehr des Vaters und das gleichmäßige Brummen des Motors machten ihn bleiern müde. Ihm fielen die Augen schon zu, als er die Mutter noch sagen hörte: »Die Kleine soll dabei gewesen sein, als er sich erhängte.«

kapitel eins
    Costa öffnete die Augen und blinzelte in die Sonne. Das Meer, das in der Nacht den Sand eingesogen und dafür Algen und Strandgut in der Bucht verstreut hatte, war noch nicht wieder ruhig. ›Alte See‹ nannten die Fischer diese mächtige Dünung ohne den Hauch eines Windes. Der Sturm der vergangenen Nacht hatte keine Erlösung gebracht, weder für die Insel, die weiter auf Regen warten musste, noch für Costa. Nackt hatten sie in Karins Bett gelegen, und seine Lust war mit dem Wind gewachsen, der gegen die Scheiben drückte. Ihm hatte es gefallen – eins mit den Urgewalten, ungestüme Leidenschaft. Aber Karin war aus dem Bett gesprungen und auf den Balkon gerannt, um das Inferno mit ihrer neuen Kamera festzuhalten.
    Es war erst zehn und der Strand von Figueretas noch menschenleer. Im September, Anfang nächsten Monats, wenn die meisten Touristen wieder abgereist waren, würde die riesige Party stattfinden, die fiesta de la buena temporada, das Fest der Rückeroberung der Insel durch die Einheimischen. Alle würden betrunken sein, Feuerwerkskörper in den Nachthimmel schießen und die alten Lieder von der illa tan pobra, der ach so armen Insel, grölen. Er freute sich darauf, in zwei Wochen mit Karin auf der fiesta gemeinsam mit den lebenslustigen Arbeitern und Kellnern zu tanzen.
    Vor der schilfgedeckten Strandhütte machte sich der Besitzer an den Läden zu schaffen und sammelte die Palmenwedel ein, die der Wind heruntergerissen hatte.
    Kinder spielten am anderen Ende des Strandes in der Brandung. Costa richtete sich auf.
    Kreischend sprangen sie über Wellen, hoben Muscheln auf, hüpften wieder ins Wasser und bauten Wälle im feuchten Sand.
    Sie liefen hinter einem Jungen her, der eine Plastikhand trug. Er hielt sie voller Ekel weit ab vom Körper, als wäre sie echt. Manchmal drehte er sich um, hob sie hoch und machte einen Schritt auf die ihm folgende Horde zu. Sie stoben schreiend auseinander, aber sobald er seinen Weg fortsetzte, waren sie alle wieder hinter ihm.
    Costa sah wieder in die Dünen. Er wollte sich diesen Sonntag der Entspannung und der Liebe mit Karin nicht nehmen lassen. Der Sturm und ihre Fotografiererei hatten ihm schon die vergangene Nacht verdorben.
    Neulich hatte seine Mutter gesagt, wenn du immer meckerst, dass sie keine Zeit für dich hat, dann mach Schluss mit ihr. Es war eine dieser typisch ärgerlichen Unterhaltungen gewesen, denn er hatte gar nicht davon gesprochen, dass sie keine Zeit für ihn habe, sondern dass sie sich immer darüber beschwere, er habe neben seinem Beruf keine Zeit für sie. Heute aber hatten sie beide Zeit, heute würde er sich nicht von Albernheiten wie einer Plastikhand ablenken lassen. Er kannte diese Scherze von seinen Kindern. Einmal hatten sie ihm beim Essen eine ziemlich echt aussehende Plastikraupe in den Salat geschmuggelt. Ein anderes Mal hatten sie im Restaurant eine Klebemasse unter der Decke angebracht, die langsam und unheimlich die Wand herunterkroch, bis sie plötzlich in seinem Blickfeld auftauchte und ihn ekelte.
    Ein dunkelhäutiger Schmuckverkäufer ging am Wasserrand entlang, blieb stehen und sah sich um. Es war zu früh. Noch gab es keine Kundschaft für billige Uhren, goldene Armreife, Sonnenbrillen und handgeschnitzte Totems. Er stellte seine Tasche ab und wandte sich dem Meer zu. Auch später, als Costa wieder hinsah, stand er noch so, als würde er warten, dass ein Schiff käme, um ihn abzuholen.
    Er beugte sich über Karin, aber sie drehte sich lachend zur Seite, zog mit einer schnellen Bewegung ihre Kamera aus der Tasche und fotografierte ihn. Er schnitt trotzig eine Grimasse und schaute wieder zum Strand.
    Ein älteres Pärchen richtete sich umständlich auf zwei Liegen ein.
    Er wandte sich wieder Karin zu und berührte ihre Schläfe mit den Lippen.
    »Nimmst du mich mit?«, fragte sie gedehnt in die Hitze hinein.
    »Wohin?«
    »Zur Taufe.«
    »Wenn du möchtest.«
    »Wer ist noch eingeladen?«
    Costa zuckte die Achseln. »Alle.«
    »Josefa?«
    »Bestimmt. Sie wird immer zuerst eingeladen.«
    »Und wieso hat der umtriebige Rechtsanwalt dich zum Paten für sein Enkelkind erwählt?«
    »Weil ich Josefas Enkel bin.« Er sagte es, um sie zu ärgern, denn er war nach El Cubano der direkte Erbe seiner reichen
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