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Braut von Assisi

Braut von Assisi

Titel: Braut von Assisi
Autoren: Brigitte Riebe
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ja. Fast schon erwachsen. Er und seine Frau hatten die Hoffnung auf einen Erben niemals aufgegeben. « Leo drehte sich wieder zu Johannes um. »Aber was …«
    »Burg Falkenstein braucht also einen neuen Herrn.« Der Generalminister sprach wie zu sich selbst. »Jemand, der den gräflichen Verpflichtungen nachkommt. Jemand, der seine Nichten angemessen verheiratet, der sich der Witwe annimmt und dafür sorgt, dass es ihr an nichts fehlt. Jemand vor allem, der sich der heiligen Kirche und dem
Papst gegenüber loyal verhält und niemals die Segnungen vergisst, die ihm zuteilgeworden sind. Könntest du dich dazu bereit erklären, so würde ich meinerseits den Versuch unternehmen, den Heiligen Vater in dieser Angelegenheit angemessen zu beraten.«
    Johannes’ Augen waren plötzlich feucht geworden.
    »Aber du weinst ja!«, rief Leo, dem ebenfalls Tränen über die Wangen liefen. »Du weinst – doch nicht meinetwegen? «
    »Es gibt da eine kleine Höhle beim Kloster Greccio«, sagte Johannes leise, »die schon lange auf mich wartet. Nicht auf den Generalminister der Franziskaner, der Aufträge erteilen, Fraktionskämpfe schlichten und päpstliche Bullen ertragen muss, sondern auf Giovanni, den Gläubigen, der sein Herz und seine Seele Francesco geschenkt hat. Der Heilige ruft mich, Bruder! Ich kann den poverello hören.« Er legte die Hand an sein Ohr, als würde er lauschen. »Bald werde ich ganz bei ihm sein. Ich möchte ihn nicht mehr allzu lange warten lassen.«
    Leo zögerte, dann aber waren seine Gefühle zu stark. Er breitete die Arme weit aus.
    »Komm zu mir, du großer Reisender!«, sagte er. »Dem ich so vieles verdanke. Eine letzte Umarmung, bevor wir in gegensätzliche Richtungen aufbrechen.«

Epilog
    D ie ganze Nacht hatte es heftig geschneit, und als Stella im Morgengrauen die Schweinsblase vorsichtig ein Stück zur Seite schob, um hinauszuspähen, schimmerte die Welt unter ihr in glitzerndem Weiß. Noch immer war alles neu für sie: die Burg mit ihren festen, grauen Quadern; der Wald, der gleich unterhalb begann und so dicht und dunkel war, dass man Angst bekommen konnte, sich in ihm zu verlieren; Ottilie, Ulrichs schmallippige Witwe, und ihre Töchter, die sie nach wie vor wie einen Eindringling behandelten, der sich dreist in die Familie gedrängt hatte; die Mägde und Knechte, die ihr zwar dienstfertig und respektvoll begegneten, deren Dialekt jedoch in ihren Ohren so seltsam klang, dass sie ihn noch immer kaum verstand; und der Mann, der neben ihr unter der Fuchsdecke schlief.
    Sein Ordenskleid hatte Leo bereits abgelegt, als sie im vergangenen August von Assisi aus in seine alte Heimat aufgebrochen waren, doch manchmal kam es Stella vor, als trüge er noch immer eine unsichtbare Kutte.
    Vielleicht würde es leichter werden, sobald der päpstliche Dispens endlich bewilligt war. Ein Schreiben Johannes von Parmas, vor wenigen Tagen mit einem Boten auf Burg Falkenstein eingetroffen, hatte ihnen neue Hoffnung beschert. Dann gälte sie nicht länger als Graf Leonharts Kebse, über die die Familie, das Dorf und die ganze Umgebung
ungeniert tuscheln konnten. Dann könnte er sie endlich zu seiner Frau machen.
    Wie in vielen Nächten seit ihrer Ankunft, in denen böse Träume sie heimgesucht hatten, griff Stella auch jetzt nach dem schmalen Buch – dem Vermächtnis ihrer toten Mutter.
    Magdalena war keineswegs freiwillig in den Abgrund gesprungen, das wusste Stella inzwischen. Chiara selbst hatte ihr Magdalenas Aufzeichnungen anvertraut, jenes Beweisstück, nach dem Leo vergeblich gesucht hatte und das er trotz aller Bemühungen nicht hatte finden können – weil es unter dem Betttuch der Äbtissin versteckt war.
    »Niemand verdient es mehr als du«, hatte Chiara gemurmelt. »Ich wünsche dir mehr Glück im Leben, mein Kind, als sie es hatte. Du wirst es lesen und danach verbrennen. «
    Hätte Stella damals schon ahnen können, was diese Zeilen alles enthielten?
    Magdalena, die nicht ahnte, woher sie stammte, und die jahrelang an die Legende vom an der Klosterpforte abgelegten Säugling geglaubt hatte. Die trotzdem der Äbtissin gegenüber stets ein seltsames Gefühl beibehalten hatte, weil diese ausgerechnet im Umgang mit ihr überstreng und unnahbar gewesen war. Die sich vergeblich nach Liebe gesehnt hatte – bis jener Engel in ihr Leben getreten war: Lorenzo.
    Sie hatte sich in den Mönch verliebt und war mit ihm weggelaufen, hatte ein Kind erwartet und ausgerechnet in einer Einsiedelei Unterschlupf
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