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Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz

Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz

Titel: Bratt, Berte - Lisbeth 01 - Meine Tochter Liz
Autoren: Berte Bratt
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den Hörer auf die Gabel. Aber bei all meiner Verzweiflung spürte ich doch eine Art Erleichterung. Ich hatte mich an Lisbeth versündigt, das war sicher und gewiß, aber ich hatte jetzt doch wenigstens getan, was ich tun konnte, um meine Schuld zu sühnen.
    Es war mir, als wüsche der Tränenstrom mich gleichsam rein. Die Angst um Lisbeth war genauso groß, genauso schmerzhaft wie zuvor – aber der Schmerz war jetzt reiner. So empfand ich es jedenfalls.
    Diese Nacht war die fürchterlichste, die ich je erlebt habe. Der schwere Schlaf war noch schlimmer als die Fieberphantasien und das Wimmern. Es war etwas Unheimliches daran.
    In den anderen Nächten hatte ich mich ausgezogen, ohne das Licht auszuschalten, und sogar ein wenig geschlafen. Bei dem leisesten Ton, den Lisbeth hören ließ, war ich aber sofort munter geworden. In dieser Nacht jedoch kam ich gar nicht auf den Gedanken, mich auszukleiden. Ich saß still auf meinem Stuhl an Lisbeths Bett, den Blick starr auf ihr kleines Gesicht gerichtet. Von Zeit zu Zeit fühlte ich ihr den Puls und legte meine Hand auf ihre glühend heiße Stirn.
    Als es hell zu werden begann, warf sie sich unruhig im Bett herum und murmelte etwas. Da bemerkte ich, daß aus dem einen Ohr Eiter rann. Ich wischte ihn weg und hob dann vorsichtig Lisbeths Kopf an, um besser heranzukommen. Da floß er über ihre Wange und über meine Hand.
    Wie merkwürdig! Ich hatte bisher nie einen heftigen Widerwillen gegen alles, was mit Krankheit zusammenhing, überwinden können. Und jetzt – jetzt beseitigte ich Ausgebrochenes, lief mit Becken herum, verabreichte Klistiere und wusch Eiter ab – und das alles machte mir gar nichts aus.
    So geht es, wenn man einen Menschen wirklich lieb hat. Lisbeths Schlaf wurde leichter und ruhiger. Ich maß wieder die Temperatur. Sie ging beträchtlich herunter. Ich wechselte die Bettwäsche und ließ frische Luft ins Schlafzimmer. Als ich damit fertig war, erreichte die Morgensonne gerade das Fenster. Ein Sonnenstrahl stahl sich durch die leichten, luftigen Vorhänge und streifte Lisbeths Gesicht. Alles schien auf einmal leichter und lichter geworden zu sein.
    Lisbeth murmelte wieder etwas, drehte sich herum – und schlug die Augen auf.
    „Kleines Häschen – geht es dir besser?“
    Sie blinzelte mit den Augen und sah mich an. Sie war von dem langen Schlaf noch ganz benommen. Aber plötzlich kam ihr die Erinnerung.
    „Heute tut es nirgends weh, Steffi!“
    „Das ist ja herrlich, Mäuschen!“
    „Du, Steffi! Ich habe Hunger.“
    „Gedulde dich nur einen Augenblick. Ich bringe dir gleich deine Haferschleimsuppe.“
    Lisbeth machte eine kleine Pause.
    „Steffi!“
    „Ja, mein Liebling?“
    „Weißt du, was ich furchtbar gern essen möchte?“
    „Nun?“
    „Es ist aber schrecklich teuer.“
    „Du sollst es trotzdem haben, wenn es sich beschaffen läßt. – Also: was ist es?“
    „Solche Torte, wie wir sie an meinem Geburtstag gegessen haben – mit einer Masse Schlagsahne und Ananas.“
    Die Torte wurde sofort bestellt.
    Und als die Ärzte kamen – alle beide: der Kinderarzt und der Ohrenspezialist –, da saß Lisbeth, von vielen Kissen gestützt, aufrecht im Bett, und ich saß neben ihr – und auf dem Nachttisch stand eine große Ananastorte, in die wir schon tüchtige Lücken gerissen hatten. So fürchterlich die Nacht gewesen war, so wundervoll wurde der Tag.
    Beide Ärzte waren überrascht und erfreut. Die Ohrenentzündung war in der Rückbildung begriffen. Der starke Eiterfluß hatte wohl sehr erleichternd gewirkt. Es hatte den Anschein, als würde Lisbeth die Aufmeißelung erspart bleiben.
    Du lieber Gott! Wie glücklich ich war!
    Natürlich mußte Lisbeth noch lange das Bett hüten. Natürlich stand mir noch manche schlaflose Nacht, manche Besorgnis, manche Plackerei bevor – aber das Schlimmste war überstanden, und ich war entschlossen, keinerlei Anstrengungen zu scheuen, um Lisbeth wieder gesund zu machen.
    Als die Ärzte gegangen waren, wusch ich in der Küche die Kuchenteller ab. Ich kochte übrigens alles Geschirr. Das war zwar etwas umständlich, aber mir schien, ich könne nicht vorsichtig genug sein.
    Die Sonne hatte das Küchenfenster erreicht. Die blaugewürfelten Vorhänge bewegten sich sacht im schwachen Luftzug. Draußen auf dem eingezäunten Platz in der Mitte des Hofs schimmerte das Herbstlaub in rotgoldener Pracht.
    Es war ein wundervoller Tag!
    Und ich war so froh – so erleichtert und dankbar. Es war mir, als hätte ich
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