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Brandwache

Brandwache

Titel: Brandwache
Autoren: Connie Willis
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obere
Atmosphäre?«
    »Das ist der Witz dabei«, erwiderte Brad. »Und
jetzt… Ich will nicht nunkeln; aber dieses Reportermädchen
kann jeden Augenblick hier sein…«
    Ulric schlug unter »Aberglauben« nach. Er las unter dem
Unterabschnitt »Mond, blauer«: »Unter dem blauen Mond;
volkstümliche Redensart. Gebr. in Südostamerika;
örtlicher Aberglaube, der das Ereignis des blauen Mondes mit
anderen ungewöhnlichen Zufällen verknüpft. Ursprung
unbekannt.«
    Er klappte das Buch zu. »Ungewöhnliche
Zufälle«, sagte er. »Äste, die abbrechen…
Leute, die auf andere Leute fallen… Leute, die
Hundert-Dollar-Noten finden. Alles ungewöhnliche
Zufälle.« Er sah zu Brad hin. »Du weißt nicht
zufällig, woher diese Redensart stammt; oder?«
    »Nunkeln? Vermutlich hat ein Bursche das Wort erfunden, der
auf ein Mädchen wartete; und da war noch ein anderer Bursche,
der nicht verschwinden und ihn mit dem Mädchen allein lassen
wollte.«
    Ulric öffnete das Buch erneut. »Aber wenn die
Zufälle von der üblen Art wären, würden sie
gefährlich, oder? Jemand könnte verletzt werden.«
    Brad nahm Ulric das Buch aus der Hand und drängte ihn zur
Tür hin. »Jetzt reicht es aber!« sagte er. »Ich
krieg schon wieder die Kröselsucht.«
    »Wir müssen es Mr. Mowen sagen. Wir müssen es
abbrechen«, sagte Ulric, aber Brad hatte schon die Tür
geschlossen.
     
    »Hallo, Janice«, sagte Charlotte. »Wie ich sehe,
sind Sie noch immer als unterdrückte Frau in einer
unmenschlichen, von Männern beherrschten Arbeit
tätig.«
    Janice legte den Telefonhörer auf. »Hallo,
Charlotte«, sagte sie. »Schneit es noch?«
    »Ja«, erwiderte Charlotte und zog ihren Mantel aus, an
dessen Kragen ein rotes Button befestigt war. Darauf stand:
»JETZT… oder ein andermal!«
    »Eben haben wir im Radio gehört, daß der Highway
geschlossen wurde. Wo hält sich Ihr reaktionärer
chauvinistischer Arbeitgeber auf?«
    »Mr. Mowen ist beschäftigt«, sagte Janice und erhob
sich für den Fall, daß sie die Tür zu Mr. Mowens
Büro mit ihrem eigenen Leib verteidigen und Charlotte den
Zutritt würde verwehren müssen.
    »Ich verspüre keinerlei Bedürfnis, dieser letzten
Bastion der sadistischen männlichen Vorherrschaft einen Besuch
abzustatten«, sagte Charlotte. Sie zog die Handschuhe aus und
rieb sich die Hände. »Wir wären auf dem Weg hierhin
fast erfroren. Lynn Saunders ist mit mir zurückgeflogen. Ihre
Mutter hat die Scheidung doch nicht erreichen können. Sie hat
ihren Versuch, Unabhängigkeit zu erreichen, beim ersten
Anzeichen gesellschaftlicher Mißbilligung aufgegeben, wie ich
befürchte. An Lynns Terminal lag ein Zettel, auf dem stand, sie
solle Sie anrufen; aber sie kam nicht durch. Sie hat mich gebeten,
Ihnen zu sagen, daß sie herkommt, sobald sie sich bei ihrem
Verlobten angesagt hat.«
    »Brad McAfee«, sagte Janice.
    »Ja«, erwiderte Charlotte. Sie setzte sich in den Sessel
vor Janices Schreibtisch und zog ihre Stiefel aus. »Ich habe mir
auf dem ganzen Weg von Cheyenne bis hierhin ihr Loblied auf ihn
anhören müssen. Armes Opfer einer Gehirnwäsche mit
männlicher, oppressiver Propaganda. Ich habe mich bemüht,
ihr klarzumachen, daß sie sich nur noch mehr in die Hände
des männlich-soziosexuellen Establishments begeben würde,
wenn sie sich bände; aber sie wollte mir nicht
zuhören.« Sie hörte damit auf, ihren Fuß durch
den Strumpf hindurch zu massieren. »Was meinen Sie; ist er
beschäftigt? Sagen Sie dem arroganten sexistischen Schwein,
daß ich hier bin und ihn sehen will.«
    Janice lehnte sich zurück und holte den EDV-Ordner mit
»Projekt Sally« aus der Schublade ihres Schreibtisches.
»Charlotte«, sagte sie, »bevor ich Sie anmelde,
hätte ich gerne Ihre Meinung in einer bestimmten Sache
gehört.«
    Charlotte kam auf bestrumpften Füßen an den
Schreibtisch getappt. »Gewiß«, sagte sie. »Worum
geht es denn?«
     
    Sally wischte mit der bloßen Hand den Schnee vom hinteren
Fenster und stieg in den Wagen. Sie hatte den Rückspiegel
vergessen. Er war schneeüberbacken. Sally kurbelte das
Seitenfenster hinunter und fegte mit der Hand über den Spiegel.
Der Schnee landete in ihrem Schoß. Sie erschauerte, kurbelte
das Fenster wieder hoch und blieb eine Weile sitzen, während sie
darauf wartete, daß der Entfroster seine Arbeit aufnähme
und auf ihre kalten, nassen Hände bliese. Sie hatte irgendwo
ihre Handschuhe verloren.
    Aus dem Entfrostergebläse kam überhaupt keine Luft. Sie
rieb ein kleines Stück der
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