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Brandbücher - Kriminalroman

Brandbücher - Kriminalroman

Titel: Brandbücher - Kriminalroman
Autoren: Birgit Ebbert
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herausstellt, dass Vermögen früher Juden gehört hat, die verfolgt oder gar verjagt wurden? Wenn heute jemand seine Eltern umbringt, um an das Erbe zu kommen, hat er doch nichts davon, oder?« Hier taten sich Abgründe auf, über die sie sich nie Gedanken gemacht hatte, und sie war sich nicht sicher, ob sie das wirklich wollte. So tief graben. Ihre Tante hatte versucht, wiedergutzumachen, was man ihrem Arbeitgeber angetan hatte. Reichte das nicht?
    »Als Pelle Maibaum 1988 herausgefunden hat, dass Bruno Schulze-Möllering ein überzeugter Nazi war, der keine Rücksicht nahm, und Jo Tengelkamp eine große Story über den Nazi-Doktor Johann Schulze-Möllering und seinen missratenen Sohn angeboten hat, hat Jo Tengelkamp ihn mit einem Job in seinem Verlag geködert. Das hat mir Hanno Möllering erzählt«, sagte Karina, während in ihr die Frage nagte, ob es jemals ein Ende geben konnte, solange es Menschen wie die Nachfahren von Dr. Schulze-Möllering gab.
    »Das kommt davon, wenn man nicht ordentlich recherchiert. Sonst hätte Pelle Maibaum gewusst, dass Jo Tengelkamp ein Enkelsohn jenes Nazi-Doktors war, der die Häuser der Juden gesammelt hat wie andere Leute Briefmarken. Aber vielleicht wusste er es auch und sah das als Chance.« Martin schüttelte den Kopf und starrte auf die Bücher. »Eines habe ich nicht verstanden. Warum hat deine Großtante das Haus der Weizmanns ausgerechnet an Schulze-Möllering verkauft?«
    »Die Antwort konnte mir auch Hanno Möllering geben. Tante Katharina kannte niemanden sonst, dem sie das Haus verkaufen konnte. Also ist sie zum Doktor gegangen, als sie erkannte, dass ihre Lebenssituation immer schwerer wurde. Frauen als Geschäftsinhaber waren zu der Zeit hier nicht besonders gut gelitten. Da entschied sie sich, ihrem Bruder und ihrem Freund nach Paris zu folgen.«
    Karina wickelte die Bücher sorgfältig wieder in das Wachspapier. »Hanno Möllering hat mitbekommen, dass sein Großvater, sein Onkel und auch sein Vater Nazis waren, wenn auch sein Vater nicht so ein eingefleischter Anhänger wie die anderen beiden war. Aber er wollte nichts damit zu tun haben. Er strich daraufhin ›Schulze‹ aus seinem Namen, überließ die Praxis hier seinem Kollegen und ging an eine Klinik nach Lörrach.«
    »Immerhin war er konsequent«, sagte Martin. »Das haben nicht viele hingekriegt. Die meisten sperren sich vor der Vergangenheit. Das merken wir in unserem Arbeitskreis immer wieder. Auch wenn sie nichts für die Taten ihrer Eltern können.«
    »Meine Großtante war da anders«, bemerkte Karina und schloss den Koffer, den ihre Tante vor über 70 Jahren hier vergraben hatte.
    »Sie war sogar ziemlich besonnen und clever«, fand Martin. »Sie hat sich ihr Startkapital von dem Doktor geholt, der sie quasi in das Haus der jüdischen Familie getrieben hat, und mit dem Geld versucht, das Unrecht wiedergutzumachen.«
    »Mein Vater hat immer gedacht, sie wäre eine Nationalsozialistin gewesen, er wusste nur, dass sie von der jüdischen Familie profitiert hat. Ein Kommunisten-Onkel und eine Nazi-Tante, das war für ihn zu viel. Er ist ja im Umfeld der Nach-68er aufgewachsen. Deshalb hat er selten über seine Familie gesprochen. Ich habe den Namen meiner Großtante nur erhalten, weil meine Mutter darauf gedrängt hat, dass die Familiennamen nicht in Vergessenheit geraten. Katharina wie meine Großtante und Luisa wie meine schwäbische Großmutter.«
    »Dabei konnte dein Vater froh sein, dass dein Großvater nicht in der Partei war.« Martin griff gedankenverloren die Spaten und trug sie hinter Karina her zum Auto. Erst jetzt wurde Karina klar, dass jeder, wirklich jeder, eine Familie und eine Geschichte hatte, mit der er leben musste und die nicht immer erfreulich war. Sie legte den Koffer vorsichtig auf den Rücksitz und sah Martin ergriffen an. »Unglaublich, dieses Netz, das sich über die Menschen und die Zeit spannt.«

    *

    Bruno achtete peinlich genau darauf, dass er seine Bücher nicht aus den Augen ließ. Schließlich hatte er dafür auf dem Weg von seinem Elternhaus bis Münster jede Buchhandlung und jede Bücherei, die ihm aufgefallen war, geplündert. Er wollte doch nicht mit leeren Händen vor den anderen dastehen. Von jedem Buch konnte er sagen, woher es stammte. ›Berlin Alexanderplatz‹ und ›Der Untertan‹ stammten aus dem Bücherschrank seiner Eltern. ›Das Schloss‹, das dieser Jude Kafka geschrieben hatte, aus einer Buchhandlung in Lüdinghausen. Eine wahre Fundgrube. Sicher
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