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Brandbücher - Kriminalroman

Brandbücher - Kriminalroman

Titel: Brandbücher - Kriminalroman
Autoren: Birgit Ebbert
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lange Vorrede. »Er hat gesagt, dass er mit Tante Katharina über mich gesprochen hat. Weißt du etwas davon?«
    »Hallo, Karina«, antwortete Michael Bessling und dehnte die Worte, als wollte er nebenher seine Gedanken ordnen. »Woher soll ich wissen, mit wem Tante Katharina über dich gesprochen hat?«, setzte er zu einer Gegenfrage an.
    Karina stutzte. Es war sonst nicht die Art ihres Vaters, einer Frage auszuweichen. Irgendeine besondere Bewandtnis musste es mit Onkel Georg und dem Elternhaus des Vaters haben.
    Karina spürte jedoch, dass sie am Telefon aus ihrem Vater nichts herausbekommen würde. Seine ausweichende Antwort und die fahrige Stimme zeigten ihr, dass sie diese Frage besser verschob, bis sie ihm in die Augen sehen konnte. Doch eines musste sie unbedingt wissen.
    »Was hat Tante Katharina als junge Frau gemacht?«, fragte Karina und biss sich auf die Lippen, wie sie es immer tat, wenn sie besonders gespannt auf etwas war. Bereits als Kind lief sie an den Weihnachtstagen mit zerbissenen Lippen herum, weil sie nicht erwarten konnte, was das Christkind ihr bringen würde.
    Michael Bessling atmete tief durch, antwortete ihr jedoch: »Tante Katharina hat zuerst als Köchin bei einem Arzt gearbeitet.«
    Karina nickte, so viel hatte sie aus den Karten herausgelesen. »Und dann?«, hakte sie nach.
    Wieder holte der Vater hörbar Luft, ehe er weitersprach: »Danach war sie bei einem Buchhändler. Weizmann hieß der. Er hatte eine Leihbibliothek. So einen Buchladen, der gegen eine Gebühr Bücher verlieh. Das war damals weit verbreitet.«
    Die ausschweifende Art, in der ihr Vater über die Leihbibliothek sprach, ließ Karina aufhorchen. Sie wusste genau, dass er etwas ausließ. »Was hat sie danach gemacht?« Karina stellte die Frage in einem Augenblick der Stille. Sie hörte, wie ihr Vater ausatmete. Das war alles. Er schwieg, als hoffte er, dass irgendetwas passierte und er nicht reagieren musste.
    »Was denn nun?«, fragte Karina und machte deutlich, dass ihr Vater sich vor dieser Antwort nicht drücken konnte.
    »Sie hat die Buchhandlung geleitet«, stieß Michael Bessling hervor. »Damals war das so. Du weißt schon, in den 30er-Jahren!«
    Karina kam ein furchtbarer Gedanke. »Wann genau?«, wollte sie wissen und ihre Stimme überschlug sich. Plötzlich erinnerte sie sich genau an die Deutsch- und Geschichtsstunden, in denen es um das Dritte Reich ging, um die Nazis und ihre Mitläufer, um die Profiteure, die durch das Leid der Juden zu Reichtum gekommen waren. Der ganze Kurs hatte sich darüber aufgeregt, dass die Deutschen so blöd waren und sich nicht gegen die Nationalsozialisten gewehrt hatten. Einer hatte sogar dem Geschichtslehrer vorgeworfen, dass er aus einer Nazi-Familie käme.
    »1933«, flüsterte Karinas Vater. »Aber es war bestimmt nicht so, wie du vielleicht denkst«, fügte er hinzu, doch Karina musste diese Information erst einmal verdauen. Schon wieder etwas, das überhaupt nicht zu dem passte, was sie von ihrer Tante wusste. War sie wirklich ein Nazi gewesen? War sie auf diese Weise zu Wohlstand gekommen? Karina fröstelte, obwohl das Feuer im Kamin nach wie vor brannte.
    »Ich melde mich«, sagte sie zu ihrem Vater und legte auf, ohne seinen Abschiedsgruß abzuwarten.
    Karina starrte den Telefonhörer an und dachte nach. Wie passte das alles zusammen? Auf der Karte hatte es so geklungen, als wäre ihre Tante gegen die Nazis gewesen.
    Sie zog die Decke um sich und kuschelte sich in den großen Ohrensessel, in dem ihr Großvater gerne gesessen hatte, und suchte nach der Fernbedienung. Auch wenn sie genau wusste, dass Fernsehen nicht entspannte, so half es ihr doch, ihre Gedanken zu sortieren.
    In Gedanken versunken schaltete Karina den Fernseher ein. Als sie Spinnen auf dem Bildschirm sah, zappte sie sofort weiter und blieb bei Klaus Maria Brandauer, ihrem Lieblingsschauspieler, hängen.
    Da spielt er wohl wieder einen intelligenten Fiesling, dachte Karina und beobachtete gespannt, wie Brandauer eng umschlungen mit Faye Dunaway über einen Flur ging. Der Filmausschnitt war ihr unbekannt. »Ich wusste gar nicht, dass der Brandauer mit der Dunaway gedreht hat«, murmelte Karina und sah sich nach einer Fernsehzeitschrift um.
    »Ich Schaf!«, rief sie laut, als sie keine Zeitschrift entdeckte. Ihre Tante war seit vier Wochen tot. Wer hätte dafür sorgen sollen, dass hier im Haus eine aktuelle Fernsehzeitschrift herumlag?
    Karina suchte auf der Fernbedienung das Symbol für den Videotext.
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