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Bran

Bran

Titel: Bran
Autoren: Matthias Falke
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gerade besonders zahm und leise wäre. Aber hier war es, als brodele das Blut durch einen Leib, der unmittelbar vor einem Schlagfluss stand. Es war das Zhid der Banden und der Schießereien, des Schmuggels und des Menschenhandels, des Schwarzmarktes und des Totschlags auf offener Straße.
    Die Waffenapplikationen voll hochgefahren, den Anzug geschlossen, der ihn vor der Hitze und dem Funkenflug der offenen Feuer schützte, die Ratte auf der Schulter, die mit gierigen Augen alles scannte und in sich aufsaugte, dessen sie habhaft werden konnte, ging er das kurze Stück vom Landeplatz zur Innenstadt. Betrunkene kamen ihm entgegen und machten sich über ihn lustig. Er brachte sie zum Schweigen. Banditen wollten ihn überfallen. Dergleichen würden sie nun nie wieder tun. Mädchen spielten sich an ihn heran, aber der tödliche Ernst in seinen Augen hielt sie ganz von selbst auf Abstand.
    Thamal war eine hitzeglühende Ausgeburt des Irrsinns. Berauschte lagen auf dem Pflaster, Zuhälter und Dealer prügelten sich und streckten einander nieder. Der Wind, heiß und glühend wie in einem Hochofen, führte Sand, Staub, Kleiderfetzen und den Geruch von Verwesung mit sich.
    Es war das Zhid Iban Mogul Khans des Großen, Gott möge ihn ewig schirmen, am Vorabend der Revolution. Ihre Wolken ballten sich schon drohend am Nachthimmel. Für den, der sehen konnte, stand das reinigende Gewitter unmittelbar bevor. Es war Augenblicke vor dem Losbrechen des Monsuns. Aber hier schien niemand es zu bemerken. Die Menschen waren wie Tiere, die kein Morgen kannten. Wie Kinder lebten sie im Hier und Jetzt. Und nur weil sie sich abends in ihr Bett legten, erwarteten sie, dass sie auch ein Anrecht darauf hatten, morgens wieder darin aufzuwachen.
    Wie sollten sie sich irren!
    Straner blieb stehen. Vor ihm erhob sich ein mächtiges Bauwerk, starr und hoch wie eine Erektion aus Stahl. Die Leuchtschrift über dem Eingang glitzerte rot. Holografische Projektionen wanderten über den Vorplatz, künstliche Animierdamen. Die benebelten Touristen nahmen sie für echte Mädchen und folgten ihnen willenlos.
    »Leli’s Budike«. Das erste Haus am Platze und gerühmt weit über Zhid hinaus. Zahllose Raumfahrergeschichten rankten sich um dieses Etablissement und verbreiteten seinen Namen im gesamten Kirgol-Cluster, aus dem sich unzählige Vergnügungssuchende und Desperados rekrutierten, Mafiosi und Waffenhändler, korrupte Minister und Magnaten, Minenbesitzer und Revolutionäre. Straner kannte sie alle. Er war einer der ihren gewesen. Stammgast des »Leli’s Budike«, in dessen gebauten und belebten Utopien er ein und aus gegangen war. Er war mit Paten des organisierten Verbrechens am Tisch gesessen und hatte mit dem Führer der Putschisten die Wasserpfeife geraucht. Er hatte sich mit zahllosen Mädchen vergnügt, die angenehm und ununterscheidbar waren wie die Wellen an einem tropischen Strand. Und er hatte eine Nacht mit Leli selbst verbracht, der Vorsteherin, die schön war wie eine Blume am Tag, nachdem sie sich voll entfaltet hatte. Es war eine unvergessliche Nacht gewesen, ein einmaliges Erlebnis. Ein Geschenk der Götter. Und ein Fehler.
    Straner vergewisserte sich, dass seine Applikationen die Ratte fest unter ihrer Kontrolle hatten. Dann schaltete er seine Handgelenkstattoos ein und aktivierte die Funktion des Tarnholos. Für Umstehende musste es derart aussehen, als habe er sich unvermittelt in einen undurchdringlichen Schatten geduckt, wo gar kein Schatten war. Aber es gab niemand auf ihn acht. Die Abdrücke seiner Stiefel bewegten sich zielstrebig auf den Eingang zu.
      
    Leli begrüßte ihn wie einen alten Bekannten. Er aktivierte sein Schläfenimplantat, um sie anzupingen und sich einen Termin nach Mitternacht zu reservieren. Sie quittierte es mit anerkennendem Lächeln Die Kaktusblüte in der Verlängerung ihrer Nasenwurzel glühte wie die Wüste bei Sonnenuntergang.
    Straner mäanderte durch die Bäder und Massagebecken, genoss den einsamen Luxus der Schwimmhalle und gab sich seiner Vorlust hin. An der Bar trank er einen leichten Wein und stärkte sich mit einem Imbiss. Zum ausgemachten Zeitpunkt fand er sich vor der mit serafidischer Seide bespannten Tür ein, die ins innerste Gemach führte.
    Leli öffnete ihm. Sie geleitete ihn hinein.
    Seine Erwartungen waren sehr hoch.
    Sie sollten enttäuscht werden.
    Die Königin der Kurtisanen führte ihn in ihr Zimmer. Eine riesige Bettstatt, deren Matratze auf integrierter rangkorianischer
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