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Bottini, Oliver - Louise Boni 01

Titel: Bottini, Oliver - Louise Boni 01
Autoren: Mord im Zeichen des Zen
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schüttelte den Kopf.
    Er sagte etwas, dann klopfte er sich gegen die Brust und hustete leise. Sie nickte. Der Mönch trank aus seiner Schale, sie aus dem Becher.
    «Oregami», sagte sie. «Sushi. Harakiri. Banzai. Samurai. Ahm … Mikado.» Sie grinste. «Kawasaki.»
    «Yes», sagte der Mönch unwirsch.
    «Sorry», sagte sie.
    Die nächsten Stunden verstrichen quälend langsam. Aus irgendeinem Grund hatte sie damit gerechnet, dass die Gegenwart des Mönchs ihre Geister von ihr fern hielt. Aber während sie, in die Decke gewickelt, auf dem schmalen, schneefreien Streifen Waldboden neben ihm saß, kamen sie alle. Calambert, Germain, Mick, selbst ihr Vater.
    Reglos und mit geöffneten Augen ergab sie sich den Bildern und Erinnerungen. Calambert inmitten der Blutkristalle. Das Gewicht der eben abgefeuerten Walther in ihrer Hand. Der scharfe Geruch, der aus der Waffe stieg. Germain, der sich auf einer vereisten französischen Landstraße mit seinem Wagen überschlug. Mick, der ihr im dichten Schneetreiben im Sessellift in Scuol so viele Affären gestand, dass die Fahrtzeit nicht ausreichte. Der so schicksalsergeben und unschuldsvoll dreinblickte, dass sie ihm an der Mittelstation den Skistock gegen die Schläfe knallte.
    Irgendwann erlöste sie die Müdigkeit.
    Als sie aufwachte, war kaum eine Stunde vergangen.
    Sie lag auf der von dem Mönch abgewandten Seite und fror erbärmlich. Na, was haben wir denn da, dachte sie und begann, die Anoraktaschen zu durchsuchen. Doch sie waren leer. Lustlos trank sie einen Schluck Tee, der ebenfalls zur Neige ging.
    Der Mönch saß unverändert aufrecht da. Seine Augen waren geschlossen, aber sie hatte nicht den Eindruck, dass er schlief. Er wirkte angespannt und wachsam. Manchmal hustete er leise.
    Sie wollte sich eben wieder auf die Seite legen, als das Funkgerät im Rucksack ein gedämpftes Knistern von sich gab und Hollerers Stimme erklang. «Frau …
    äh … Bonì? Hören Sie mich?»
    Sie nahm das Funkgerät heraus. Während sie die Taschenlampe darauf richtete und die Sprechtaste suchte, hörte sie Niksch flüstern: «Sie müssen ‹Kommen› sagen, Chef.»
    «Na, Niksch, wenn ich dich nicht hätt’.»
    «Kommen, Chef.»
    «Lass mich in Frieden.»
    «Sonst weiß sie nicht, dass sie dran ist mit Sprechen.»
    «Hollerer, alles okay», sagte sie. Auf ihrer Uhr war es zehn.
    «Sie muss auch ‹Kommen› sagen», flüsterte Niksch.
    «Himmel, Niksch!» Hollerer senkte die Stimme.
    «Wie geht’s Ihnen?»
    «Ich friere, aber ich lebe.»
    «Und der Mönch?»
    «Hat Ihre Unterhose an und lässt besten Dank aus-richten.» Sie hörte Niksch kichern. Hollerer knurrte etwas Unverständliches.
    Plötzlich spürte sie die Hand des Mönchs am Arm.
    Sie wandte sich um. Er kam mit dem Kopf näher und legte den Zeigefinger an die Lippen. Sein Blick war eindringlich. Langsam sagte sie: «Hollerer, ich muss Schluss machen.»
    «Moment, Moment … Ihr Chef hat angerufen, Bermann. Wollen Sie hören, was er gesagt hat?»
    Der Mönch zog grob an ihrem Armel.
    «Nein», sagte Louise.
    «Ich erzähl’s Ihnen trotzdem. Er ….»
    «Hollerer, mit mir ist alles okay. Ende.» Sie ließ die Sprechtaste los und schaltete das Funkgerät aus. Dann das Handy in der Brusttasche des Anoraks.
    Nachdenklich sah sie den Mönch an, der den Zeigefinger noch immer an die Lippen presste. Wovor hatte er Angst? Sie spürte, dass sie eine Gänsehaut bekam. Jetzt ließ der Mönch die Hand sinken. Er deutete ein knappes Nicken an und lehnte sich zurück.
    Sie richtete den Blick auf die Bäume vor ihnen.
    Zum ersten Mal nahm sie die Geräusche der Winter-nacht wahr. Vereiste Zweige knackten, der an- und abschwellende Wind erzeugte ein feines Rauschen. Zu sehen war nichts.
    Unruhig trank sie den letzten Schluck Tee. Es dauerte lange, bis sie wieder einschlief.
    Als sich erste Spuren des Morgenlichts am Himmel andeuteten, fuhr sie aus dem Schlaf. Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, was sie geweckt hatte.
    Ganz in der Nähe war eine halblaute Männerstimme zu hören.
    Auch der Mönch war wach. Seine Augen waren vor Angst weit geöffnet. Wieder presste er den Zeigefinger an die Lippen. Dann bedeutete er ihr, ihm zu folgen. Sie nickte. Ihre Unruhe wuchs.
    Rasch und so leise wie möglich sammelte sie ihre Sachen zusammen und verstaute sie im Rucksack. Der Mönch hatte sich bereits erhoben und wartete ungeduldig.
    Als sie aufstand, war es wieder still, die Stimme nicht mehr zu hören. Dann nahm sie andere Geräusche wahr.
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