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Bottini, Oliver - Louise Boni 01

Titel: Bottini, Oliver - Louise Boni 01
Autoren: Mord im Zeichen des Zen
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Bul-lauge, hatte Annettas Mutter gesagt. Sie ist auf einer langen Seereise, und sie kann rausschauen, wenn sie will, und wir können reinschauen.
    Louise versuchte, sich Annetta in dem schallgedämpften Raum vorzustellen, aber es gelang ihr nicht.
    Hatte sie sie in einem Krankenhaus besucht? War Annetta überhaupt in einem solchen Raum gewesen?
    Und wenn ja, weshalb? Sie wusste es nicht mehr.
    Wenn sie an Annetta dachte, dann sah sie Calambert vor sich. Das Opfer verblasste, der Mörder blieb.
    Annettas Mutter dagegen hatte sie deutlich vor Augen. Den Vater auch. Ein kleiner, kräftiger Mann im eleganten grauen Dreiteiler. Danke, hatte der Vater zu ihr gesagt, nachdem Annetta in dem Ozeandamp-fer davongefahren war. Er hatte beide Hände um ihre Rechte gelegt und gesagt: Danke, dass Sie das Schwein abgeknallt haben. Seine Stimme hatte unauf-geregt und zufrieden geklungen. Er hätte ebenso gut sagen können: Danke, dass Sie die Pizza vorbeigeb-racht haben.
    Jägermeistererinnerungen.
    In dem Hohlraum schien es immer wärmer zu werden, als verfügte der Mönch über eine innere Zentralheizung. Sie rutschte dichter an ihn heran, spürte einen dünnen Arm, ein Bein. Der schon vertraute Geruch nach Schweiß, Schmutz, Fremdheit wurde stärker. Sie zwang sich, den Kopf nicht abzu-wenden. Wie er wohl hieß?
    Ruhige, tiefe Atemzüge, das rastlose Ticken ihrer Uhr, Dunkelheit im schallgedämpften Raum, während jenseits der Felsen der Tag anbrach. Nichts sonst existierte noch. Kein Calambert mehr, kein Bermann, kein Mick, keine Einsamkeit. Nichts. Ein Gefühl inneren Friedens überkam sie.
    Dann schlief sie ein, Hollerers kalte Pistole in der Hand.
    Sie erwachte um neun. Gespenstisches graues Licht sickerte in den Hohlraum. Auch der Mönch war wach. Ernst blickte er sie an. Er wirkte ratlos, ohne Hoffnung. Aber vielleicht lag es am Licht.
    Sie fand, sie hatten lange genug gewartet. Wer immer da draußen gewesen war, war sicher längst fort.
    Sie musste essen, etwas trinken, Schutz organisieren, Spuren sichern lassen. Pinkeln. Sie streckte sich, dann richtete sie sich halb auf.
    « No », flüsterte der Mönch. Mit dem Finger klopfte er sich auf das Handgelenk. Noch nicht. Warten wir noch.
    Sie schüttelte den Kopf und legte die Hand auf den Unterleib.
    « No », wiederholte der Mönch.

    «Doch», sagte sie und rappelte sich auf. Mit einem unerbittlichen Griff zog er sie zurück. Wut stieg in ihr hoch. «Na gut», zischte sie, «dann wirst du mir eben beim Pinkeln zusehen müssen.» Auf den Knien rückte sie ein Stück von ihm weg, öffnete Gürtel und Reiß-
    verschluss.
    Die Atemzüge des Mönchs setzten für einen Moment aus. Dann wandte er rasch den Blick ab.
    «Sieh mich an», sagte sie. Aber der Mönch reagierte nicht.
    Um halb zehn verließen sie den Felsspalt. Minutenlang saßen sie geduckt in der steinernen Wand und beobachteten die Umgebung. Niemand war zu sehen, niemand zu hören.
    Sie kehrten nicht auf den Weg zurück, sondern eilten an den Felsen entlang in die andere Richtung.
    Louise hatte den Eindruck, dass es wärmer war als gestern. Irgendwo im Grau über ihnen waren Sonnenstrahlen zu erahnen, und der Schnee leuchtete sanfter.
    Unwillkürlich fragte sie sich, ob sie sich noch im Zwischenreich befanden. Oder waren sie am Ende der Brücke angekommen?
    Falls ja, sah das andere Leben genauso aus wie das vorherige.

    3
    HOLLERER UND NIKSCH kamen um elf. Louise wartete am Waldrand. Sie hatte vergeblich versucht, den Mönch aufzuhalten. Er hatte die Hände vor der Brust aneinander gelegt, sich verneigt und war weitergegangen. Unruhig wanderte ihr Blick zwischen dem herankommenden Streifenwagen und dem sich entfernenden Mönch hin und her. Die dunkle Kutte war vor dem Weiß des Schnees deutlich zu erkennen.
    Für Scharfschützen ein leichtes Ziel, selbst aus großer Entfernung.
    «Ihr Chef hat Recht, was Sie betrifft», sagte Hollerer, nachdem er das Beifahrerfenster geöffnet hatte.
    Sie nahm den Rucksack ab und setzte sich in den Fond. «Bestimmt.» Sie gab Hollerer die SIG zurück.
    Im Inneren des Wagens war es warm. Beinahe so warm wie in dem Hohlraum hinter dem Felsen neben dem Mönch. Mit einem Schlag kamen die Müdigkeit, die Erschöpfung. Sie sank zurück. Sie brauchte etwas zu essen, Schlaf. Ernüchtert dachte sie, dass der Aus-flug in die andere Welt nun zu Ende war.
    Sie sahen dem Mönch nach.
    «Wenn wirklich jemand hinter ihm her ist, müssen wir ihn in Sicherheit schaffen», sagte Hollerer
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