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Bottini, Oliver - Louise Boni 01

Titel: Bottini, Oliver - Louise Boni 01
Autoren: Mord im Zeichen des Zen
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liefern: die Namen der Kunden von Asile d’enfants. Die hätten nur Berger und Mahler gekannt.
    Dafür wusste er, wer Hans-Joachim Gronen, der Besitzer des Hofes bei Münzenried, war: Ein alter Freund Mahlers, der in Bangkok eine Bar betrieb und in das dortige Prostitutionsgeschäft verwickelt war.

    Das Schwierigste war nun, die Ermittlungen der deutschen und der französischen Behörden zu koor-dinieren. Rechtshilfeersuchen wurden ausgetauscht, hohe Beamte fuhren hin und her, die Außenministe-rien machten im Hintergrund Druck. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb dauerte es viel zu lange.
    Jetzt, da die Kooperation offiziell geworden war, war alles noch komplizierter.
    Das Teerband, das zwischen Zillisheim und Illfurth in den Wald hineinführte, glänzte matt. Es hatte aufgehört zu regnen, blieb aber bewölkt. Das Tor aus Licht war grau. Sie hatte sich vorgenommen, Nikschs Grab aufzusuchen, wenn sie zurückkam. Anschlie-
    ßend würde sie mit seiner Mutter und seinen Schwestern sprechen und versuchen, ihnen begreiflich zu machen, dass Sicherheit nicht davon abhing, ob es in der Familie einen Polizisten gab.
    Die Schlaglöcher der Schotterstraße waren mit Regen-und Schmelzwasser gefüllt. Auf dem Parkplatz stand kein Auto. Sie stieg aus und sah sich um. Die Katze war nicht zu sehen. Für einen Moment dachte sie an Richard Landen. Aber sie hielt es für besser, ihn zu vergessen.
    Sie hatte mehrfach versucht, Hollerer wieder zu besuchen oder wenigstens mit ihm zu telefonieren. Doch Hollerer hatte nicht besucht oder angerufen werden wollen. Niemand, nicht einmal Ponzelt oder Freunde aus Liebau, war zu ihm durchgedrungen. Er leide, hatte Roman, der Zivildienstleistende, gesagt, an einer schweren Depression. Sobald er reisefähig gewesen war, hatte er sich in ein Krankenhaus in Kaiserslau-tern bringen lassen. Von dort war er Ende Februar in ein Rehabilitationszentrum gefahren.
    Doch sie würde es nicht zulassen, dass auch Hollerer aus ihrem Leben verschwand.
    Beim Anblick des Kanzan-an schossen ihr Tränen in die Augen. Aus der Ferne sah das Kloster aus wie immer. Nichts schien sich verändert zu haben. Selbst die graue Katze tauchte jetzt in der hügeligen Wiese auf.
    Dann stand sie vor dem Eingangsportal und blickte zu dem Fenster hinauf, hinter dem sie Pham zum ersten Mal gesehen hatte. Um Pham und das Mädchen aus Poipet musste sie sich keine Sorgen machen. Das Mädchen war bei Bekannten von Barbara Franke un-tergekommen. Pham würde bei Bermann und dessen Familie bleiben. Allerdings hieß er jetzt nicht mehr Pham, sondern Viktor. Er war zum Symbol geworden.
    Für Bermann war die Ordnung des Systems wie-derhergestellt. Der Fall war gelöst, sie hatten gewonnen. Die Toten, die Verschwundenen, die offenen Fragen waren vergessen. Bermann war ein Meister darin, sich auf das zu konzentrieren, was vorlag, und das zu ignorieren, was nicht vorlag. Er hatte sämtliche Teile des Puzzles, die sie recherchiert hatten, zusammengefügt. Die, die noch fehlten, hatte er abgeschrie-ben. Dem Bild, das am Ende entstanden war, merkte man kaum an, dass es eigentlich unvollständig, wo-möglich sogar nicht hundertprozentig richtig war. Es war an der sichtbaren Realität ausgerichtet, und nur das zählte.
    Bermann nannte das «Datenrationalisierung». Alles Überflüssige war entfernt worden. Auf diese Weise wurden Effektivität und Einsatzbereitschaft des Dezernats aufrechterhalten. Die nächsten Verbrechen waren schon begangen worden. Die nächsten Toten und Verschwundenen warteten darauf, vergessen zu werden. So funktioniert das System, sagte Bermann und meinte die Gesellschaft, die Medien, den Westen, das Leben. Dass der Aufenthaltsort von sechsund-fünfzig asiatischen Kindern zwischen einem und neun Jahren ungeklärt war, dass ein Teil dieser Kinder regelmäßig sexuell missbraucht wurde, war für ihn und das System nicht dauerhaft von Bedeutung. Es war abstrakt. Die Kinder hatten kein Gesicht. Wer kein Gesicht hatte, existierte nicht.
    Sie wandte sich um und blickte auf das Teehaus.
    Diesmal waren keine Glockenklänge zu hören. Sie fragte sich, wo der Roshi sein mochte. Chiyono hatte am Telefon erzählt, dass die Hälfte der Mönche und Nonnen das Kanzan-an in den letzten Wochen wegen der Ereignisse um Asile d’enfants verlassen hatte. Nur sie, Georges und ein paar andere waren geblieben –
    und natürlich der Roshi.
    We drink tea, we talk . Sie nahm sich vor, dem Roshi von den Kindern zu erzählen und ihm Lederles Fragen
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