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Bottini, Oliver - Louise Boni 01

Titel: Bottini, Oliver - Louise Boni 01
Autoren: Mord im Zeichen des Zen
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konnte. An dem er die Situation unter Kontrolle hatte.
    «Er wird längst dort sein», sagte sie.
    «Ja», sagte Zancan.
    «Und weil er weiß, dass wir das wissen, weiß er auch, dass wir keine Verstärkung mitbringen werden.

    Wir wissen nicht, ob er die Autobahn überwacht oder die Opfinger Straße. Wir können es nicht riskieren, Verstärkung mitzubringen. Wir können nur das Gebiet weiträumig absperren. Tun wir das?»
    «Ja», sagte Zancan wieder.
    «Gut. Was würden Sie tun, wenn Sie an seiner Stelle wären?»
    «Die Kinder trennen.»
    Louise nickte stumm. Daran hatte sie nicht gedacht.
    Weshalb nicht? Es lag so nahe. Ein Kind im Wagen, das andere irgendwo auf dem Weg, den er sich für die Flucht ausgesucht hatte. Sie würden es nicht wagen, ihn bei der Übergabe festzunehmen, wenn sie wussten, dass die Kinder noch nicht in Sicherheit waren.
    Sie würden es auch später nicht wagen.
    Es lag nahe, die Kinder zu trennen. Sie hätte es an Fröbicks Stelle auch getan. Aber sie hatte nicht daran gedacht. «Ich glaube, Sie sind die Richtige für den Job», sagte sie.
    «Danke», sagte Zancan.
    In diesem Moment hörten sie Bermanns Stimme über Funk. Er schrie: «Marie, halt an!» Es klang nah, wütend, am Rande der Hysterie. Louise seufzte und öffnete den Sicherheitsgurt. Der gute, alte Bermann.
    Für Sekunden aus der Konzentration gekippt. Aber sie fand, dass er Recht hatte. In Anbetracht der Situation war Lederles kleines Spielchen gefährlich.
    Zancan nahm das Funkgerät. «Was ist?»
    Bermann schrie, sie solle anhalten. Zancan gehorchte. Bermann schrie: «Stehst du?»

    «Ja.»
    Louise öffnete die Tür. Zancan sah sie verwundert an.
    Bermann schrie: «Luis, steig aus!»
    Zancan blieb ruhig. «Rolf, sie ist unser einziger Vorteil. Er weiß nicht, dass sie …‼
    Bermann schrie, er wolle keine Diskussion.
    Zancan sagte: «Wir brauchen sie.»
    Bermann schrie, sie bräuchten keine Säuferin, es gehe um sein Leben und um ihres und um das der Kinder, da sollten sie sich auf eine Säuferin verlassen?
    Er schrie: «Luis, verpiss dich! Marie?»
    «Marie» und «du», dachte Louise – war Zancan vielleicht doch eine Bermann-Frau? Aber sie glaubte es nicht. Bermann-Frauen gerieten nie in Situationen, in denen sich theoretisch die Möglichkeit ergeben konnte, dass sie sich gegen ihn wandten.
    Bermann schrie: «Marie!»
    «Ja?»
    «Ist sie endlich draußen?»
    Zancan antwortete nicht. Sie hatte sich Louise zugewandt. Louise erwiderte ihren Blick. Sie dachte, dass sie Bermann verstand. Ein Geiselnehmer, zwei Kleinkinder, in direkter Nähe lediglich zwei Polizeibeamte – auch sie würde sich in einer solchen Situation nicht auf einen Alkoholiker verlassen, ganz egal, ob Alpha, Gamma, Delta. Ihr fiel ein, dass sie Bermann an jenem Samstag vor zwei Wochen, an dem alles angefangen hatte, auch verstanden hatte. Er hatte gesagt, er habe die Nase voll von ihr, und sie hatte ihn verstanden. Manchmal verstand man die Menschen, die man nicht mochte, am besten.
    «Sie entscheiden», sagte Zancan.
    «Viel Glück», sagte Louise.
    Der Streifenwagen entfernte sich nur langsam, als hoffte Zancan, sie würde ihre Entscheidung im letzten Moment ändern. Dann waren die roten Heckleuchten verschwunden.
    Sie wandte sich ab. Was wäre verantwortungsbewusst? Kollegen herbeitelefonieren und in die Stadt zurückkehren? Die letzten paar hundert Meter zum See laufen und versuchen zu helfen? Welches war die falsche Richtung, welches die richtige?
    Von fern drangen die Geräusche der Autobahn he-rüber. Unmittelbar um sie herum war es still. Sie war allein. Allein mit zwei Begriffen: Prodromalphase und Gamma-Alkoholikerin. Und einer unmittelbaren Zukunft, die sich ganz an diesen Begriffen ausrichtete.
    Und der Frage, was sie jetzt tun sollte.
    Von einem Moment auf den anderen begann sie zu frieren. Die Temperatur war weiter gefallen, betrug höchstens minus fünf Grad. Aber sie hatte den Verdacht, dass es nicht daran lag.
    Nicht jeder Mensch geriet in eine Situation wie diese. Warum sie? In welchem Moment, an welchem Punkt ihres Leben hatte der Weg seinen Anfang genommen, der sie hierher geführt hatte? Was war wann schief gelaufen? Wann hatte es begonnen? Mit Calambert, der vielleicht noch am Leben gewesen wäre, wenn es den Aufkleber nicht gegeben hätte?
    Vermutlich hatte es schon früher begonnen, mit Mick, als sie sich entschlossen hatte, Mick zu heiraten.
    Aber auch da war sie längst auf dem falschen Weg gewesen. Sonst hätte sie sich nicht
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