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Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd

Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd

Titel: Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd
Autoren: Luc Deflo
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beständig vorwärts, Schritt für Schritt, durch die zentimeterdicke Schlammschicht, die im tanzenden Lichtkegel feucht glänzte. Schließlich schaltete er die Taschenlampe aus, tastete durch den Riss in seiner Jeans nach seinem geschwollenen Knie und gönnte seinen Augen die Zeit, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Er wollte seine Position nicht verraten, und außerdem war es zwecklos, die halb verfallene Kirche Sint Jozef von der Straße aus betreten zu wollen. Das massive Eichenportal war zwar noch intakt, aber der Kirchturm und das gesamte linke Kirchenschiff waren eingestürzt und bildeten eine undurchdringliche Sperre aus Balken und Steinen. Deleu hatte versucht, über den Trümmerhaufen zu klettern, aber zwei Mal das Gleichgewicht verloren. Es grenzte an ein Wunder, dass er sich nichts gebrochen hatte; er war mit ein paar Schürfwunden an Ellbogen und Knien davongekommen. Langsam drehte er sein Handgelenk und strich über die aufgescheuerte Haut.
    Mit klappernden Zähnen bemühte er sich, seinen Körper warm zu reiben. Doch die Kälte war schon zu tief in seine Glieder gekrochen.
    Dirk Deleu spannte die Brustmuskulatur an und blies sich in die klammen Hände. Das half immer. Etwa sechs Sekunden lang.
    Komm, Deleu. Nicht aufgeben. Nicht jetzt!
    Nur mit Hilfe seiner Willenskraft stapfte er zum Tervuursesteenweg. Ein einsamer Radfahrer, der tief über den Lenker gebeugt gegen die heftigen Böen ankämpfte, bemerkte den umherirrenden Schatten nicht.
    Wo steckst du, du Bastard? Über diesen Trümmerhaufen kannst du es mit Barbara und Nadia unmöglich geschafft haben.
    Deleu zögerte.
    Angenommen, dass er falschlag. Angenommen, dass Barbara und Nadia gar nicht hier waren. Angenommen, dass sie bereits tot waren. Angenommen, dass …
    Er glitt über den Schlamm, bis seine Schuhsohlen endlich Halt fanden. Stoßweiser Atem. Brennende Lungen. Einen Moment lang rutschte er aus, konnte sich aber gerade noch fangen. Mit offenem Mund und rudernden Armen kämpfte er sich weiter vor. Geballte Wut in den Augen.
    Auf dem Gehweg hielt er inne, stützte sich mit den Händen auf den Knien ab und versuchte keuchend, wieder zu Atem zu kommen. Dann warf er plötzlich den Kopf in den Nacken und starrte zu den kalten Sternen hinauf.
    »Das Pfarrhaus! Verdammt noch mal, das Pfarrhaus!«
    *
    Jos Bosmans hatte die Praxis gründlich durchsucht. In ohnmächtiger Wut hatte er sogar die Jalousien von den Fenstern gerissen und dem Archivschrank einen mächtigen Tritt versetzt. Mutlos ließ er den Oberkörper nach vorn sinken und schlug wütend auf den Schreibtisch.
    Plötzlich klingelte es an der Tür.
    Bosmans warf einen Blick auf die Sprechanlage, als hätte er ein Ufo vor sich. Hastig riss er den Hörer von der Gabel. »Hallo?«
    »Guten Tag, spreche ich mit Meneer Beherman?« Eine freundliche Stimme.
    »Ja. Am Apparat.«
    »Ah, guten Tag, Meneer Beherman. Darf ich kurz heraufkommen? Ich habe eine wichtige Botschaft für Sie.«
    Bosmans spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufrichteten, und es kostete ihn enorme Selbstbeherrschung, seine Stimme weiterhin neutral klingen zu lassen. »Worum geht es …«
    »Nun ja, Meneer Beherman. Kennen Sie die Bibel? Wir würden uns gern einmal mit Ihnen über die Botschaft …« Den Rest des Satzes hörte Bosmans nicht mehr. Er betrachtete den Hörer, als hielte er einen frischen Hundehaufen in der Hand, legte dann entnervt wieder auf und stützte sich Halt suchend an der Wand ab.
    Als er sich langsam aufrichtete und umdrehte, sah er es. Das Gemälde schien den ganzen Raum zu beherrschen. Die imposante gotische Kirche verdrängte jeden anderen Gedanken. Bosmans starrte auf das Bild und murmelte: »Ein Verbrecher kehrt immer an den Ort des Verbrechens zurück.«
    Im nächsten Moment stöhnte der Untersuchungsrichter laut auf: »In Muizen an der Ampel rechts. Über den Leuvensesteenweg. Am Kanal entlang. Über die Coloma-Brücke in den Tervuursesteenweg. Die Kirche! Sint Jozef! Jeden Tag … Jeden gottverdammten Tag fahre ich daran vorbei.«
    Während Bosmans zur Treppe lief, erinnerte er sich daran, dass die Kirche heute, zwei Jahre nach dem verheerenden Brand, noch immer in Trümmern lag. Eine Ruine. Nach der Ausschreibung hatte ein Bauunternehmer den Zuschlag erhalten, aber als es der Gemeinde endlich gelungen war, die benötigten Subventionen bewilligt zu bekommen, waren die Arbeiten eingestellt worden – Belgien, wie es leibt und lebt. Und danach hatte sich die Ruine zu einem Zankapfel im
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