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Borderlands

Borderlands

Titel: Borderlands
Autoren: B McGilloway
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sie
Kate los, die sich an die Wand kauerte und versuchte, sich so klein wie möglich
zu machen; ihr ganzer Körper zuckte, so heftig schluchzte sie.
    »Es tut mir
leid, dass Sie da hineingezogen wurden, Inspector – wirklich.« Yvonnes Stimme
klang jetzt tonlos, als wäre sie dem Schmutz und der Leiche hinter ihr
entrückt. »Sie erinnern mich an meinen Mann, wissen Sie. Er ist auch tot.«
    Ich nickte.
»Ich weiß, Yvonne. Hören Sie, es ist noch nicht zu spät. Wir finden eine
Lösung.« Doch noch während ich sprach, wusste ich, dass meine Worte sinnlos
waren, aus der Verzweiflung geboren.
    »Ach ja?« Sie
lächelte mich an und hockte sich vor mich hin, die Waffe nur wenige Zentimeter
von meinem Schädel entfernt. Mit den Fingern strich sie mir leicht über Gesicht
und Lippen. »Ich glaube nicht«, sagte sie schließlich mit der Endgültigkeit
einer scheidenden Geliebten. »So gern ich Sie am Leben gelassen hätte,
Inspector, so sehr weiß ich auch, dass Sie es nicht auf sich beruhen lassen
könnten. Oder?«
    »Ich heiße
Benedict«, sagte ich. »Ben.«
    Ich wollte
noch mehr zu ihr sagen, wollte ihr sagen, dass ich auf einer gewissen Ebene
Verständnis für ihre Handlungen hatte. Ich wollte ihr sagen, dass die Situation
noch zu retten sei, doch ich wusste, dass sie dafür bereits zu weit gegangen
war. »Ich habe mit Schwester Perpetua gesprochen«, sagte ich ein wenig zu spät.
    Beide hörten
wir Stimmen, die sich durch einen der dunklen Korridore näherten. Ich meinte,
Williams’ Stimme zu erkennen, so flüchtig wie die Stimmen im Kopf, die man kurz
vor dem Einschlafen hört. Unvermittelt drehte Coyle sich um und ging mit großen
Schritten hinüber zu Kate Costello, die zu einer Kugel zusammengerollt am Boden
lag. Während ich noch nach meiner Waffe tastete, vernahm ich einen weiteren
lauten Knall. Als der Schuss Kate Costello traf, hörte ich ein leises Stöhnen
und dann das saugende Geräusch, das ihr Körper machte, als sie versuchte, Luft
zu bekommen.
    Nun hörte ich
Williams schreien und andere Stimmen, die sich näherten. Ich wollte ihnen etwas
zurufen, doch mein Mund war ausgetrocknet und wie gelähmt, und die Worte
erstarben mir in der Kehle. Yvonne Coyle stand über mir, die Waffe in beiden
Händen.
    »Es tut mir
leid, Inspector«, sagte sie und hob die Waffe.
    Ich würde gern
berichten, ich hätte dem Tod fest ins Auge geblickt. Ich würde gerne sagen, ich
sei tapfer gewesen. Doch so war es nicht. Vielmehr kniff ich die Augen zusammen
und zuckte bereits im Voraus, während ich auf den Schuss wartete, auf die
sengende Hitze der Kugel, wenn sie in meinen Körper eindrang. In diesem letzten
Augenblick zog entgegen dem, was die Leute gerne behaupten, nicht mein ganzes
Leben blitzartig an mir vorüber. Vielmehr dachte ich daran, dass ich Penny nie
wieder lächeln sehen und nie mehr die weiche Hand meines Sohnes spüren würde,
wenn er mein Gesicht berührte, während ich ihm die Flasche gab, und das machte
mich unendlich traurig. Ich würde meine Frau nie wiedersehen, meinen Fels in
der Brandung, Debbie, deren Berührung allein schon mehr innere Großzügigkeit
vermittelte, als ich sagen konnte. Ich spürte, wie mir die Tränen übers Gesicht
strömten, und dann hörte ich den Schuss.
    Als ich die
Augen wieder öffnete, rannten Williams und drei uniformierte Polizisten durch
den Korridor auf uns zu; das Licht ihrer Taschenlampen tanzte über die Wände
und die Decke. Neben mir lag Yvonne Coyle, das Gesicht so dicht neben meinem
wie das einer Geliebten; auf ihren Lippen erstarb wie ein Abschiedskuss der
letzte Atemzug, ihr kurzes blondes Haar war blutverklebt, ihr Körper zuckte
noch. Ein Teil ihrer Stirn fehlte, der weiße Knochen ihres Schädels war
inmitten des Bluts gerade eben zu erkennen. Ganz kurz sah ich noch einen
Schatten an ihren Mundwinkeln zupfen, nicht mehr als ein flüchtiger Schemen;
dann regte sich nichts mehr.
    Ich streckte
die Hand aus und legte die Finger an ihr Gesicht. Ihre Haut war noch immer warm
und weich. Ich legte die offene Hand an ihre Wange und sprach flüsternd ein
Gebet für ihr Seelenheil, den Akt der Reue. Aus Mitgefühl für das, was sie zu
ihren Handlungen getrieben hatte, beugte ich mich unwillkürlich vor und drückte
ihr einen einzigen, leichten Kuss auf die Stirn. Ihre Haut gab unter meiner
Berührung nach, während die Farbe schon allmählich aus ihrem Gesicht wich.

16
    Dienstag, 31. Dezember
     
    Tommy Powell
senior war nie wirklich in Gefahr gewesen. Harvey war
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