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Boomerang

Boomerang

Titel: Boomerang
Autoren: Michael Lewis
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mir, der argwöhnte, vielleicht einen Verrückten vor mir zu haben. »Das ist klasse«, sagte ich, war in Gedanken aber schon bei dem Flug, den ich unbedingt erreichen musste. »Aber selbst wenn Sie Recht haben, was kann man als Normalverbraucher schon dagegen tun?«
    Er starrte mich an, als würde er gerade etwas höchst Interessantes sehen: den dümmsten Mann der Welt.
    »Was sagen Sie Ihrer Mutter, wenn sie fragt, wo sie ihr Geld deponieren soll?«, fragte ich.
    »Knarren und Gold«, antwortete er einfach.
    »Knarren und Gold«, wiederholte ich. Er war also wirklich verrückt.
    |17| »Aber keine Gold-Futures«, fuhr er fort, ohne mich zu beachten. »Sie brauchen reales Gold.« Er erklärte mir, dass der Markt für Gold-Futures beim Eintreten der nächsten Krise höchstwahrscheinlich stagnieren würde, weil es mehr offene Terminkontrakte gab als verfügbares Gold. Leute, die glaubten, Gold zu besitzen, würden feststellen, dass alles, was sie besaßen, Papier war. Er öffnete seine Schreibtischschublade, förderte schwungvoll einen schweren Goldbarren zutage und ließ ihn auf die Tischplatte fallen. »Von dem Zeug haben wir einen ganzen Haufen gekauft.«
    An diesem Punkt kicherte ich nervös und warf einen Blick zur Tür. Es ist viel schwerer, die Zukunft vorauszusagen, als uns die Wall Street glauben machen möchte. Ein Mann, der den Zusammenbruch des Marktes für Subprime-Hypothekenbonds mit so traumwandlerischer Sicherheit vorausgesagt hatte, konnte sich leicht selbst einreden, dass er auch eine Gabe für traumwandlerisch sichere Zukunftsvoraussagen über andere komplizierte Dinge aller Art besitze. Ich jedenfalls war zu sehr damit beschäftigt, herauszufinden, was gerade in den Vereinigten Staaten passierte, um mir allzu große Sorgen darum zu machen, was mit dem Rest der Welt los war. Das schien mir damals ziemlich nebensächlich. Und Bass hatte eben mehr oder weniger das Interesse daran verloren, was sich in den USA abspielte, weil er das, was sich rund um den Erdball zusammenbraute, viel spannender fand. Ich verabschiedete mich, kehrte Dallas den Rücken und strich ihn erst einmal aus meinen Gedanken. Als ich das Buch schrieb, ließ ich Kyle Bass außen vor.
    Dann begann sich die Finanzwelt wieder zu verändern – und zwar ganz in der Art, wie Kyle Bass es vorhergesehen hatte. Ganze Staaten standen plötzlich vor dem Bankrott. Was |18| anfangs aussah wie eine Geschichte, die hauptsächlich von der Wall Street handelte, wurde zu einer Geschichte, in der jedes Land eine Rolle spielte, das in irgendeiner tiefergehenden Weise mit der Wall Street in Berührung kam. Ich schrieb das Buch über die US-Hypothekenkrise und über die Leute, die sich damit eine goldene Nase verdient hatten, aber gleichzeitig fing ich an, in diese anderen Länder zu reisen, um zu sehen, was da eigentlich los war. Und auf all meinen Reisen begleitete mich die bohrende Frage:
Wie kam ein Hedgefonds-Manager aus Dallas auch nur auf die Idee, sich diese absurden Szenarien vorzustellen?
    Zweieinhalb Jahre später, im Sommer 2011, flog ich wieder nach Dallas, um Kyle Bass diese Frage zu stellen. Griechische Credit Default Swaps waren von 11 auf 2   300 Basispunkte gestiegen; Griechenland stand kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Irland und Portugal hatten umfangreiche Hilfskredite erhalten, und Spanien und Italien waren in der Einschätzung der Finanzmärkte von grundsätzlich risikolos auf den Stand von Nationen abgerutscht, die am Rande des finanziellen Ruins stehen. Und zu alledem stand das japanische Finanzministerium im Begriff, eine Delegation in die USA zu schicken, die bei den großen Fondsgesellschaften wie PIMCO und BlackRock anklopfen sollte, um zu sehen, ob sie irgendjemanden, finden konnten, der bereit war, japanische Zehn-Jahres-Anleihen im Wert von einer halben Billion Dollar zu kaufen. »Das ist ein Szenario, in dem noch nie jemand investiert hat«, meinte Bass. »Unsere größten Positionen sind jetzt Japan und Frankreich. Falls und wenn die Dominosteine fallen, ist Frankreich bei weitem der schwerwiegendste. Ich kann nur hoffen, dass die USA nicht als Erste pleitegehen. Mein ganzes Geld ist darauf verwettet, dass es dazu nicht kommt. Das ist |19| meine größte Angst. Dass ich die Chronologie der Ereignisse falsch eingeschätzt habe. Aber ich bin mir absolut sicher, wie das Ganze letztendlich ausgehen wird.«
    Er besaß nach wie vor stapelweise Gold- und Platinbarren, deren Wert sich in etwa verdoppelt hatte, war aber immer
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