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Bone 01 - Die Kuppel

Titel: Bone 01 - Die Kuppel
Autoren: Peadar O'Guilín
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Gewissen, als hätten wir selbst die Speere erhoben!«
    »Mein liebes Fräulein Tochter des Vorsitzenden« – Varahas Grinsen war grimmig –, »dann könnten wir doch einfach alles dichtmachen, oder? Wollen wir den Massen ihren Spaß vorenthalten, obwohl wir sie doch bei Laune halten müssen? Seltsame Worte aus deinem Mund, wenn Tausende nur auf deinen Befehl hier unten sind.«
    Stolperzunge war fassungslos. Er wusste, dass die Menschen auf dem Großen Dach seine Welt beobachteten, aber ihm war vorher nicht klar gewesen, dass sie es taten, um sich zu unterhalten. Sie hatten die Deserteure zum Tod verurteilt, aber statt sie ehrenhaft zu Freiwilligen werden zu lassen, ergötzten sie sich an ihrem Tod, an ihrem Leid, an der endlosen Angst und am Hunger der Generationen. Sein Herz schlug schneller, bis es wild in seiner Brust hämmerte. Nicht einmal die Verschwendung von Nahrung konnte so unanständig sein. Stolperzunge konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, nichts! Außer dass Indrani irgendwie an dieser ganzen Sache beteiligt gewesen war. Wie konnte er sich je wieder neben sie legen? Sie und ihresgleichen hatten den Tod seiner Mutter, seines Vaters und aller anderen, die ihm lieb gewesen waren, auf dem Gewissen.
    Jetzt sah er, wie sie den Kopf hängen ließ, und musste sein Gehör anstrengen, um ihr Flüstern zu verstehen. »Ich habe dir gesagt, dass ich es in Ordnung bringen will. Ich habe mich geändert.«
    »Klar doch! Dann sorg dafür, dass sich heute Nacht alles ändert.«
    »Heute N-nacht?«
    »Oder nie. Du hast die Wahl. Ich habe alles arrangiert. Wie vereinbart. Entweder heute Nacht, oder du kannst hier blieben und verrotten. Ich schwöre dir, dass ich ihn töten werde, wenn du mir in den Rücken fällst.«
    Indrani neigte den Kopf. »Also heute Nacht«, sagte sie matt. »Wir brechen heute Nacht auf.«
    Und der Häuptling biss sich auf die Fingerknöchel, damit er nicht laut aufschrie.

    Stolperzunge schickte die Waisenkinder in ein anderes Zimmer im Hauptquartier und wartete auf sie, als sie zurückkehrte – die Arme fest verschränkt, um das Durcheinander der Gefühle zu verbergen, die an ihm zerrten. Als Indrani schließlich hereinkam, fielen ihm keine Worte mehr ein. Sie gehörte zu einer Gruppe, die Wesen hierherschickte, damit sie auf möglichst unterhaltsame Weise starben oder töteten. Er stellte sich die Augen vor, die sein gesamtes Leben verfolgt hatten. Er hörte Gekicher, als er um Moosherz geweint hatte, und verächtliches Schnaufen über die Generationen von Wilden , die ihr Fleisch opferten, damit weitere Wilde das Spiel am Leben erhielten. Er hätte Indrani hassen müssen, er hätte sie auf irgendeine Weise bestrafen müssen.
    Doch der Anblick ihres traurigen, aber wunderschönen Gesichts machte es ihm unmöglich. Sie wirkte viel älter als bei ihrer ersten Begegnung, mit müden Augen und ausgezehrt von allem, was ihr widerfahren war. Dann erinnerte er sich daran, wie sie seine Beine gerettet hatte und wie Wandbrecher sich an ihr gerächt hatte. Wie sie in der Obhut seines Stammes gelitten hatte.
    Indrani hatte ihre Strafe bereits erhalten, und es gab keinen Zweifel an ihrer Aufrichtigkeit, als sie Varaha gesagt hatte, dass sie sich verändert hatte.
    »Du solltest vorsichtiger sein«, sagte sie leise zu ihm.
    »Ich? «
    »Dein Kopf«, sagte sie. »Du hast ihn nicht weit genug vom Fenster zurückgezogen.«
    Sie setzte sich auf das Moos und legte die zitternden Hände an ihr Gesicht. »Ich wollte es dir sagen, Stolperzunge, aber ich wusste nicht, wie. Ich bin froh, dass du alles mitgehört hast. Nachdem du jetzt weißt, was ich getan habe, ist es einfacher …«
    Der Häuptling fühlte sich völlig ausgelaugt. Als er sprach, klang seine eigene Stimme in seinen Ohren hohl. »Was hat Varaha gemeint? Was soll heute Nacht geschehen?«
    Tränen liefen zwischen ihren Fingern hindurch. Sie sah ihn immer noch nicht an. »Er kann eine Sphäre holen, die mich rausbringen wird. Sie haben sich hier schon viel zu sehr eingemischt, also müssen sie dafür sorgen, dass die anderen Sphären anderswo sind, wenn sie es tun.«
    »Aber, Indrani, ich dachte, ich hätte eine Heimat für dich gefunden, für uns. Ich dachte …«
    Sie nahm die Hände vom Gesicht und blickte mit geschwollenen Augen zu ihm auf. »Du hast falsch gedacht. Völlig falsch. Du hättest es besser wissen müssen. Hast du die Wühler vergessen? Ich bin mir ganz sicher, dass sie dich nicht vergessen haben. Und sie haben auch nicht
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