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Bombenspiel

Bombenspiel

Titel: Bombenspiel
Autoren: Gmeiner-Verlag
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finnischen Sommers konnte er nicht in sein Land exportieren: das geniale Licht der Mittsommernacht, das es den Kamerajägern ermöglichte, die Bären auch noch um 23 Uhr am Luderplatz zu fotografieren.
    Die Nächte Afrikas waren stockfinster, nur Mond und südlicher Sternenhimmel sorgten dafür, dass man in offener Savanne die Bewegungen des Wildes erkennen konnte. In den Wäldern, wo sich Leopard und Ginsterkatze nun einmal aufhielten, war es zu dunkel und kein noch so perfektes künstliches Licht konnte die natürliche Dämmerung der nördlichen Nacht ersetzen.
    Diese Eindrücke nahm der Afrikaner mit, als er nach drei Nächten die Bärenlodge verließ und sich auf den Weg in das 100 Kilometer weiter nördlich gelegene Camp machte.
    Er empfand die sommerlichen Temperaturen Skandinaviens als kalt und hatte sich den langen Mantel über die Schulter gehängt, eine Wollmütze schützte seinen kahlen Schädel vor dem rauen Wind und verbarg die grässlichen Narben seiner verbrannten Ohren.
    Er folgte genau den Instruktionen, die er vor seiner Abreise bekommen und auswendig gelernt hatte, stellte seinen Wagen, einen alten rostzerfressenen VW-Käfer mit zerbeulter Karosserie, in einen halb zerfallenen Schuppen, wo ihn jeder zufällig vorbeikommende Wanderer für einen Schrottwagen halten musste, und setzte seinen Weg zu Fuß fort. Seine wenigen Habseligkeiten trug er in einem Rucksack bei sich, alles, was er für die Ausbildung benötigte, würde ihm im Camp ausgehändigt werden. Nach drei Stunden endete der unbefestigte Weg inmitten der finnischen Wälder an einem Schlagbaum und ein schmaler Wildwechsel war der einzig sichtbare Pfad, der weiter in die Waldeinsamkeit hineinführte.
    Der Afrikaner erkannte an den Dunghäufen und den Kratzspuren an den Bäumen, dass es ein Bärenpfad war, dem er folgte, und er benutzte immer wieder die mit kleinen Kieselsteinchen gefüllte Kugelschreiberhülle als Rassel, um die Bären zu verscheuchen, ehe sie sich ihm in den Weg stellen konnten. Der Pfad führte über unwegsames Gelände leicht bergan, zahlreiche Wurzeln und sumpfige Stellen zwangen ihn zu kleinen Umwegen und Klettereien. Plötzlich, der Nadelwald war immer dichter und der Pfad unwegsamer geworden, endete der Weg an einem blauen See. Sumpfiges Grasland bestimmte den Horizont, so weit das Auge reichte. Ein schmales Brett führte wie ein Steg zehn Meter in den See hinein, an seinem Ende lag ein Kanu vertäut.
    Dort wurde er von Sergej erwartet. Der bärtige Russe trug den Tarnanzug der ehemaligen Sowjettruppen, schien aber unbewaffnet zu sein. Er begrüßte ihn mit dem afrikanischen Dreiergriff und verlangte ihm das Codewort ab.
    »Skywalk«, sagte der Afrikaner und ließ seinen Rucksack in das Kanu gleiten. »Wie weit ist es bis zum Camp?«
    »Wir brauchen mit dem Boot etwas mehr als zwei Stunden«, antwortete Sergej auf Englisch mit starkem russischem Akzent. »Aber nur, wenn wir zu zweit paddeln.«
    »Gib mir das zweite Paddel!«, verlangte der Afrikaner lachend, doch Sergej schüttelte den Kopf.
    »Wir haben nur eines. Du paddelst allein. Und zwar in dem Tempo, das ich dir vorgebe. Und merk dir gleich noch eines: Ab sofort redest du nur noch, wenn du gefragt wirst. Du weißt, warum du hier bist. Etwas anderes wird uns in den nächsten Monaten nicht interessieren. Ich gebe hier die Befehle und du führst sie aus. Hast du mich verstanden, schwarzer Mann?«
    Er nickte. Es war so, wie ihm die anderen erzählt hatten. Camp Zero war die härteste Kampfschule der Welt, härter als jedes Militärlager, schärfer als jeder Drill in einer Armee. Aber die Männer, die es überstanden, waren die besten Kämpfer und Märtyrer, die es gab. Sie hatten gelernt, jedes Gefühl zu unterdrücken, Mitleid war ihnen fremd, Schmerzen unbekannt. Sie konnten fünf Tage überleben, ohne zu essen, tranken das Blut ihrer Feinde und den eigenen Urin. Sie kämpften in Irland und in Spanien, in Bagdad und Nairobi. Sie sprengten sich in die Luft, zündeten Bomben, die Unschuldige töteten und es wurde behauptet, die Piloten des 11. September seien ebenfalls im Camp Zero in die Schule gegangen.
    Der Afrikaner war am Ziel seiner langen Reise.
    Er dachte an Brenda. Sah sie vor sich. Hilflos, im Dreck, zwischen alten Autoreifen und rostigen Mülltonnen von eThekwini. Er fühlte den Schmerz, als sie ihm die Arme auf den Rücken drehten und ihn zwangen, zuzusehen. Er sah ihr Blut und ihre Verstümmelungen, er hörte ihr Wimmern und das höhnische Lachen der
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