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Bombay Smiles

Bombay Smiles

Titel: Bombay Smiles
Autoren: Jaume Sanllorente
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Meinen Sie vielleicht, sie würden nicht darauf aufpassen?«
    In den ersten Tagen mit einem Leibwächter an der Seite, war Óscar Capella, einer meiner besten Freunde aus Barcelona, bei mir zu Besuch. In diesen Tagen konnte ich mit der neuen Situation noch schlecht umgehen: Ich schämte mich, meinem Freund erklären zu müssen, wer der Mann mit dem Sender im Ohr war, denn ich schämte mich im Grunde über den Verlust meiner Freiheit.
    In der Zeit, in der Óscar da war, gab es witzige Zwischenfälle. Zum Beispiel blieben wir im Aufzug stecken und sorgten für große Aufregung, da wir dem Leibwächtern kurz vorher entwischt waren. An diesem Tag habe ich mir eine gehörige Rüge eingefangen. Ja, es war wichtig, dass Óscar in diesen ersten Tagen bei mir war, weil ich mich mit ihm über etwas lustig machen konnte, was in Wirklichkeit gar nicht lustig war.
    Inzwischen habe ich mich an den Leibwächter gewöhnt, meine Umgebung ebenso. Ich versuche es, ihn als etwas Alltägliches hinzunehmen - oder betrachte seine Anwesenheit als ein weiteres kleines Opfer, das ich auf meinem Weg erbringen muss; einem Weg, der definitiv nahezu alle Opfer wert ist.

    Ich habe keine Angst vor dem Tod. Überhaupt keine. An die Tage und Monate nach dem Tod meiner Mutter kann ich mich noch genau erinnern. Nach einem langen Kampf gegen den Krebs, in dem wir die Hoffnung nie aufgegeben hatten, siegte die Krankheit schließlich. Die Knochenmetastasen hatten ein Ausmaß angenommen, das ihr nicht mehr zu leben gestattete - meine Mutter starb am 10. Februar 1996. Danach redeten alle ständig von »Überwindung«: »Das muss man erst mal überwinden«, »Du kommst schon darüber weg«, »So etwas überwindet man nie« …
    Was soll das überhaupt heißen, einen Todesfall überwinden? Wenn Überwinden Vergessen bedeutete, dann wollte keiner aus unserer Familie diesen Tod überwinden. Wenn es bedeutete, mit einem Lächeln über meine Mutter zu sprechen, dann hatten wir ihren Tod schon am selben Tag überwunden. Und die Erinnerung an sie ist seit ihrem Todestag immer wach geblieben - meine Mutter lebt in unseren Herzen weiter.
    Damals hatten wir zu Hause mehrere Bücher über den Tod. Ich kann mich besonders gut an Jedes Ende ist ein strahlender Beginn von Elisabeth Kübler-Ross erinnern. Meine Großmutter Marta hatte mir das Buch geschenkt und ich habe es sehr gerne gelesen. In diesem Buch wird der Tod als Höhepunkt unseres Daseins gesehen, ein Höhepunkt, der unserem Leben erst einen Sinn und Wert gibt. Ohne das
Leben gäbe es den Tod nicht - aber ohne den Tod gäbe es kein Leben. Ich habe viele Menschen kennengelernt, die dem Tod sehr nahe waren. Und sie alle klammerten sich an das Leben wie Leute, für die der Tod fern und fremd ist.
    Damit man das Leben wirklich schätzen kann, darf man den Tod aus seinem Leben nicht ausklammern. Man muss erkennen und akzeptieren, dass es ihn gibt und er zu uns gehört. Die Möglichkeit, dass mir in jedem Moment etwas zustoßen könnte, etwas, das meinem Dasein unter Umständen sogar ein Ende bereitet, macht mir keinen Kummer.
    Den Kampf unter dem Namen Sonrisas de Bombay würden dann andere weiterführen. Für ein Projekt darf niemand unersetzbar sein. Falls es so sein sollte, ist das Projekt schlecht geplant. Auch der Gedanke, dass ich durch den Tod um zukünftige Erlebnisse gebracht werde, macht mir keine Angst. Wenn ich für immer gehen muss, bleibt doch die Tatsache bestehen, dass ich hier gewesen bin, viel getan und erlebt habe - und dazu beitrug, dass andere eine besseres Leben führen können.

19
    Normalität

    Die Gesellschaft kann nicht verändert werden,
solange sich die Menschen nicht ändern. Jene
Menschen - du und die anderen -, die über
Generationen diese Gesellschaft geschaffen haben.
    KRISHNAMURTI

    Nach Eröffnung der Diplomatic School schufen wir die Möglichkeit, dort auch Kinder aufzunehmen, deren Eltern das Schulgeld von selbst aufbringen konnten. Wir hatten qualifizierte Lehrkräfte eingestellt und waren dabei immer der Prämisse gefolgt, dass auch Kinder aus schwachen sozialen Verhältnissen Anspruch auf gut ausgebildete Lehrer hatten. Informatik und Englisch standen ebenso auf unserem Lehrplan wie eine Vielzahl außerschulischer Aktivitäten, sodass wir uns durchaus mit einer erstklassigen indischen Ausbildungseinrichtung vergleichen konnten.
    Es war nicht leicht, zu erreichen, dass bessergestellte Familien aus der Umgebung ihre Kinder
bei uns einschrieben: Sie wussten, dass sie zusammen
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