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Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)

Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)

Titel: Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)
Autoren: Joanie McDonell
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stand wieder in der Tür und winkte mich zu sich. Als ich ihn erreichte, fiel seine Stimme zu einem Flüstern herab.
    »Sie kommen sie holen.«

3
    »Sie gehen, nicht wahr?«, fragte Greenburg.
    Ich blickte zur Tür hinaus und sah, dass alles dunkel und ruhig war. Ganz am anderen Ende des Flurs konnte ich eine Krankenschwester und einen Pfleger erkennen, die langsam auf leisen Schuhen mit Gummisohlen auf uns zukamen. Sie hatten die Statur von Linebackers.
    »Warum schiebt dieser Bursche keinen Rollstuhl?«, fragte ich leise. »Was macht er mit einer Trage?«
    »So fängt das alles an«, flüsterte Greenburg unheilvoll. »Sie sedieren jeden, der in die Psychiatrie hoch soll. Sie schnallen ihn auf eine Trage und verpassen ihm eine volle Ladung Chlorpromazin.«
    Eine Ladung dieses Medikaments konnte ein Pferd k.o. schlagen.
    »Ich habe gedacht, das Zeug wird nicht mehr benutzt.« »Sie benutzen es sehr wohl noch.«
    Die Krankenschwester und der Pfleger waren näher gekommen und befanden sich etwa auf halbem Weg zwischen dem anderen Flurende und uns.
    Ich ging zu der Tänzerin hinüber, die immer noch am Schrank stand.
    »Hören Sie«, sagte ich zu ihr. »Lassen Sie mich mit den Ärzten sprechen. Justin kann mir den Verantwortlichen nennen, und ich suche ihn auf. Justin …« Ich sah zur Tür.
    Er war verschwunden, der kleine Scheißkerl. Abgehauen in seinen kleinen weißen Nikes. Und genau in diesem Moment wachte die Dame in dem anderen Bett auf, schlug um sich und rief nach einem Barkeeper.
    »Jack Daniel’s und Soda«, verlangte sie. »Hier drüben. Und ein bisschen dalli, ja?«
    »Verdammt«, sagte ich. Ich konnte die Tänzerin nicht im Stich lassen. »Kommen Sie, los!«
    Die Tänzerin wirkte jung – aber das war schwer zu beurteilen. Sie hätte zweiundzwanzig oder zweiunddreißig sein können. Eingehüllt in meine feuchte Jacke sah sie aus wie ein Kind. Ich wusste, dass ich sie sofort aus dem Zimmer bekommen musste, oder wir würden Probleme bekommen.
    »He, Kellner!«, kreischte die alte Dame schrill. »Rufen Sie den Barkeeper – sind Sie taub?«
    Sie schleuderte eine Kleenexschachtel und traf die Tänzerin, die keine zwei Sekunden lang erstarrte. Aber das waren jene zwei Sekunden, die wir zum Überqueren des Flurs benötigt hätten. Diese Zeit fehlte uns jetzt.
    Der Notausgang befand sich bloß ein paar Schritte über den schattigen Korridor entfernt, aber wir konnten ihn jetzt unmöglich erreichen, ohne dass die beiden Linebacker uns voll in den Blick bekamen. Ein Anruf dieser Krankenschwester, und sämtliche Ausgänge zur Straße wären verriegelt und verrammelt.
    »Wir können jetzt nicht los«, sagte ich und versuchte sogleich, einen Plan B zu entwerfen.
    »Na ja, ich gehe los«, sagte sie. Und schoss zur Tür hinaus.
    Ich rannte ihr nach, wollte sie packen und erwartete, von dem Pfleger attackiert zu werden. Oder der Schwester. Aber sie standen nach wie vor unten im Flur und sahen nicht zu uns hinüber, weil sie tief ins Gespräch verstrickt waren. Abgelenkt von einem kleinen Burschen in einem weißen Kittel, der aussah wie eine Schildkröte.
    Trotz meiner Erziehung bei den guten Schwestern von der Immerwährenden Gnade bin ich keines von Gottes Kindern. Fürmich existiert Gott nur dann, wenn ich während eines Schneesturms in einem Flugzeug sitze. An was ich glaube, ist das Glück. Glück, Pech und sonst nichts; aber dieser Abstecher ins Krankenhaus hatte mehr mit so etwas wie der Zufallsmatrix zu tun. Wenn Greenburg nicht so besorgt gewesen wäre, wenn Meriwether geschlafen und den Anruf der Mailbox überlassen hätte, wenn Ebbe geherrscht hätte und ich mit dem Boot nicht ans andere Ufer gekommen wäre, wenn das Zimmer der Tänzerin nicht am dunklen Ende des Flurs gelegen hätte …
    Ob sich nun sämtliche Ereignisse, die mit Justin Greenburgs Anruf begonnen hatten, durch Glück oder abstrakte Mathematik erklären lassen – die Wahrheit lautet: Wenn Meriwether anfangs nicht den Anruf entgegengenommen hätte, wäre die Tänzerin wohl tot gewesen, und ich hätte wie alle anderen davon aus der Zeitung erfahren.
    Es goss noch immer in Strömen, als ich sie durch einen Seitenausgang auf die Straße hinausbugsiert hatte. Wenn Timing alles bedeutet, dann war es diesmal auf meiner Seite, denn genau in diesem Moment kam ein Taxi um die Ecke und bewahrte uns davor, völlig durchnässt zu werden – und gesehen.
    Wir fuhren zum Boat Basin in der Seventy-Ninth Street, wo ich mein Motorboot, einen alten
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