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Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)

Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)

Titel: Bolero - Ein Nick-Sayler-Thriller (German Edition)
Autoren: Joanie McDonell
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hakte ich nach.
    »Ich weiß nicht.«
    Zimmer 848, ein Zweibettzimmer, wurde lediglich vom Schein eines stummen Fernsehapparats erhellt, der wie eine klobige Klaue an der Decke hing.
    Wir gingen an der anderen Patientin vorüber, einer alten Dame, die schlief und schnarchte.
    Das Bett des jungen Mädchens stand neben dem Fenster. Sie saß sehr gerade darauf, und in dem schwach erleuchteten Zimmer sah ich bloß ihren Umriss im Profil und das dunkle Haar. Es war lang und hatte sich zum größten Teil aus einem Zopf gelöst, der ihr einmal um den Kopf gelegen hatte. Ihr Gesicht war erst zu erkennen, als ich am Fuß des Bettes stand und sie zu mir aufschaute.
    Ihre Augen waren von einem tiefen Violett, wie die von Elizabeth Taylor in einigen der alten Filme, die die Schwestern sich immer am Samstagabend angesehen hatten. Im wirklichen Leben hatte ich niemals solche Augen gesehen, bis ich Julia begegnet war. Und in den zehn Jahren seit Julias Tod hatte ich solche Augen auch nie mehr wiedergesehen. Nicht bis jetzt.
    Der dunkle Bluterguss auf der Wange des Mädchens machte mich wütend. Genau da wäre der rechte Moment gewesen zu verschwinden.
    »Sie sind zurückgekommen«, sagte sie leise zu Greenburg.
    »Das habe ich versprochen«, erwiderte er und zog sich in seinen Schildkrötenpanzer zurück.
    Da kapierte ich. Er war nicht bloß für Medizin geschaffen. Er war nicht bloß seit sechsunddreißig Stunden auf den Beinen. Vielleicht war er nicht mal überarbeitet. Er war verknallt.
    »Ich bin Nick Sayler«, sagte ich.
    »Kennen Sie mich?«
    »Tut mir leid«, erwiderte ich. »Wir sind uns nie begegnet.«
    »Ich weiß meinen Namen nicht.«
    »Sie hat der Schwester am Empfang gesagt, dass sie Jane Waters heißt«, warf Greenburg ein. »Aber sie hat eine Helferin gesehen,die Wasser in einen Becher goss und Jane hieß. Es stand auf ihrem Schildchen.«
    »Und ich habe eine nicht existente Adresse erfunden. Das haben sie ebenfalls rausgekriegt«, sagte sie zerknirscht.
    »Humor, ein gutes Zeichen«, meinte Greenburg und trat sogleich einen Schritt zurück, als ob sie ihm einen missbilligenden Blick zugeworfen hätte, was sie nicht getan hatte.
    »Wo haben Sie die Adresse her?«, fragte ich sie.
    »Vermutlich habe ich gewusst, dass es einen Broadway gibt«, entgegnete sie.
    »Aber keinen 8700 North Broadway«, warf Greenburg ein.
    »Nicht in New York«, sagte ich. »Vielleicht irgendwo anders.«
    »Daran habe ich nicht gedacht«, meinte Greenburg.
    »Na ja, ist nicht woanders«, sagte sie. »Ich hab’s mir ausgedacht.«
    »Woher wissen Sie, dass Sie es sich ausgedacht haben?«, fragte ich. »Sie konnten sich doch an nichts erinnern?«
    »Das war vor zwei Stunden«, erwiderte sie. »Ich kann mich bloß an nichts erinnern, was vor der Notaufnahme passiert ist. Ein schreckliches Gefühl, sich an nichts erinnern zu können. Ich versuche es mit aller Gewalt, aber es nutzt nichts.«
    »Wird schon werden«, sagte ich.
    Diese Bemerkung basierte völlig darauf, dass ich einen Australier gesehen hatte, der in einem Rugbyspiel auf Governors Island k.o. geschlagen worden war. Nachdem er wieder zu sich gekommen war, wusste er seinen Namen nicht und erkannte auch seine Frau nicht. Ich hatte gehört, sein Gedächtnis sei eine Woche später zurückgekehrt, aber seine Kumpel behaupteten, er habe die ganze Sache bloß vorgetäuscht, um sich von seiner Frau trennen zu können, die ein Besen war, wie alle sagten.
    »Obwohl mir niemand sagen will, wann es zurückkehrt«, sagte sie leise, fast gehaucht. »Und auch, wenn ich mich im Moment an nichts so richtig erinnere, so weiß ich doch eines. Etwas, das ich bloß spüre – weswegen ich hier rausmuss.«
    »Haben Sie Angst vor dem Typen, der Sie überfallen hat?«, fragte ich.
    »Ich weiß nicht«, entgegnete sie. »Ich erinnere mich nicht, wer mich überfallen hat. Aber ich hasse Krankenhäuser, da bin ich mir absolut sicher. Ich muss hier raus.«
    Greenburg beugte sich zu mir herüber und flüsterte mir zu, sie wisse nicht, dass man sie in die Psychiatrie verlegen würde.
    »Oh, klasse«, sagte ich.
    »Worüber sprechen Sie gerade?«, fragte sie.
    »Nichts«, erwiderte Greenburg.
    »Na ja, das stimmt offenbar nicht, Justin«, sagte sie, nach wie vor leise. »Aber das ist auch gleichgültig. Ich gehe.«
    »Sie haben eine Gehirnerschütterung«, sagte Greenburg lahm. »Aber wenn Sie irgendwohin gehen und sich ausruhen könnten …«
    Das Mädchen im Bett sah mich an.
    »Wissen Sie ganz sicher, dass
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