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Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Titel: Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
Autoren: Bastei Lübbe
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lebte.
    Enno zog die Beine an sich. »Das liegt lange zurück«, sagte er gefasst. »Großmutter und Großvater bewirtschafteten unseren Hof weiter, das machen die Alten heute noch. Sie brachten mich gelegentlich zu Elkes Eltern, wenn sie für mich keine Zeit hatten.« Er nippte am Glas. »Ich habe nie etwas vermisst«, sagte er, stupste Elke an und fuhr fort: »Meine Freundin ist ein Plappermaul!«
    Elke neigte sich vor. »Enno hat recht. Ich bin älter als er, ich muss die Regie übernehmen.« Dabei lachte sie und warf ihr langes Haar zur Seite, wie ich es von Erika kannte.
    »Besuchen Sie auch noch eine Schule?«, fragte ich.
    Elke winkte ab. »Ich studiere bereits an der Fachhochschule Wirtschaftswissenschaften. Meine Überlegungen dabei sind ganz nüchtern, denn die Landwirtschaft wird bei dem rasanten Fortschritt der Technik mit dem gleichzeitigen Drang nach einer grünen Umwelt Möglichkeiten bieten, die Enno, der ebenfalls auf den Hof der Großeltern warten kann wie ich auf den Fehntjer-Hof, attraktiv. Mein Studium soll mir dabei den wissenschaftlichen Hintergrund bieten.«
    Enno blieb stumm.
    Ich schaute ihn fragend an.
    »Vorher möchte ich noch Deutscher Meister werden«, warf er lachend ein.
    Ich dachte mir, dass seine Elke ihn in Zukunft antreiben, ihm Ziele zuweisen würde, wie meine Erika auch mich angetrieben hatte, wenn sie mir vorrechnete, dass man als Studiendirektor fünfhundert Euro brutto mehr verdienen konnte. Ich hatte diese Gespräche gehasst, da mir das vermehrte Ansehen persönlich keinen Antrieb bieten konnte. Akten und Druck von oben sollten mir nicht das Lächeln aus meinem Gesicht vertreiben.
    Unser Gespräch floss locker dahin. Schließlich stand Elke auf, wies auf die Zeiger ihrer Armbanduhr und deutete an, dass sie bei dem Winterwetter mit ihrem Polo nur nach Hause kriechen konnten.
    Ich begleitete sie in den Korridor, bedankte mich noch einmal herzlich für die Blumen und ihren Besuch.

2
    Gregor besuchte mich am Nachmittag des nächsten Tages. Wir tranken Tee und gingen mit Vorfreude auf unsere Finnlandreise die Prospektseiten durch. Auf dem Tisch lag die ausgebreitete Karte. Wir verglichen die Angebote, suchten nach Vor- und Nachteilen der einzelnen Hütten, die uns in kleinen Bildchen, meist in Farbe, die Orientierung erleichtern sollten, und legten uns auf einige Objekte fest. Die Rangordnung glich schließlich einer Bundesligatabelle, denn die Sicherheit, das gewünschte Haus zu bekommen, schrumpfte mit dem Blick auf den Kalender.
    Ich nahm die Unterlagen, ging zum Telefon und rief den Reiseveranstalter an. Die »Finnjet« war zu unserem Ferientermin noch nicht ausgebucht, und die Gesellschaft wollte sich bemühen, ein Haus unserer Spitzengruppe für uns zu reservieren.
    Als Gregor mich verließ – er hatte noch Schreibtischarbeit aufzuholen –, fiel mir flüchtig ein, dass Enno während der fünften und sechsten Stunde den Mathematikunterricht versäumt hatte.
    Ich betrat meinen Balkon, blickte lange hinaus und stellte fest, dass die Sonne den letzten Schnee verdampft hatte, während jetzt schwere Wolken von See her über die Stadt zogen.
    Mein Blick streifte die Mühle, die als letzte Zeugin unserer hunderttausend Einwohner zählenden Stadt in Erinnerung rief, dass vor mehr als hundert Jahren hier, wo jetzt dichter Verkehr um viergeschossige Wohnhäuser floss, bäuerliches Leben mit weiten Feldern die Landschaft beherrscht hatte.
    Meine Gedanken führten mich in die Zeit zurück, in der ich noch selbst Schüler war, und ich sah schemenhaft meinen alten, knochigen Lehrer vor mir, der wegen seiner Glatze den Spitznamen »Heinrich der Kahle« erhalten hatte und als Zugezogener immer wieder darauf aufmerksam machte, dass die Fläche, auf der »eure« Heimatstadt steht, er sagte nie »unsere«, einst eine Sumpf- und Moorwiese gewesen war, als der Preußenkönig vor etwa zweihundertfünfzig Jahren seine Sträflinge und Widersacher in diese Nordseeecke verbannt hatte, damit sie bei dem Versuch, in dem von Sturmfluten bedrohten Land, in dem Schlangen, Mücken und Moore jedes Leben bedrohten, zu überleben, ihm und seinem Volk einen Zugang zu den Meeren schaffen würden.
    Von dieser Zeit hatte sich nichts Vorzeigbares mehr in meiner Stadt erhalten. Ich blickte in die Richtung, in der in dreißig Kilometern Luftlinie das Land noch grün war und in dem Elke und Enno in der Nähe eines Hochmoores lebten und im Aufblühen der seit langen Jahren verächtlich angesehenen bäuerlichen
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