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Böse Sterne

Titel: Böse Sterne
Autoren: Dietmar Bittrich
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Das ist Fische-Kunst. Ihre Kunst.
    Liebeskummer ist nichts, was Sie vermeiden. Es ist das, was Sie suchen. Sie haben diese im Tierkreis ansonsten unerreichte
     Begabung, Liebeskummer zu finden oder, falls er sich nicht auftreiben lässt, zu schaffen. Einfacher gesagt: Ihre Liebe ist
     Kummer. Ohne Kummer wäre es keine Liebe. Wie himmlisch!
    Wichtig ist als Erstes, dass Sie sich die falsche Person aussuchen. Und da niemand so sensibel ist wie Sie, niemand so seismographisch
     im Empfinden, so zart im Gemüt, ist das ganz einfach. Jeder ist falsch. Es ist egal, wen Sie nehmen. Sie können mit jedem
     Partner unglücklich werden.
    Trotzdem, um sicher zu gehen, treffen Sie eine gewisse Wahl. Bürgerlich oder normal sollten die Partnerin |152| oder der Partner nicht sein. Er sollte schon in Richtung Problemfall gehen. Prostituierte, Drogenbäcker, Sträfling, Alki,
     Assi, Flüchtling, Vollwaise, resozialisierter Lustmörder   – Sie möchten sich schließlich schmerzensreich aufopfern können. Ohne Leiden fehlt der Sinn.
    Und doch, trotz solcher Vorauswahl sind Ihre wichtigsten Liebesziele – ausgenutzt zu werden und Schmerz zu empfinden – gar
     nicht so einfach zu erreichen. Ärgerlicherweise finden sich immer wieder Partner, von denen Sie freundlich und unterstützend
     und sogar sensibel behandelt werden. Diese Partner sind in herkömmlichem Sinne liebevoll.
    Das ist ärgerlich. Zum Glück verfügen Sie über ein bewährtes Programm, solche Partner zu vergraulen. Sie gehen nicht in die
     Offensive, das natürlich nicht. Sie bauen einfach Ihre stumme Vorwurfshaltung auf. Sie seufzen matt. Sie sitzen am Fenster
     und starren melancholisch hinaus. Sie lassen Ihre Depri-Musik laufen. Sie vernebeln die Luft mit Räucherstäbchen. Ihr Partner
     weiß nicht: Was soll das bedeuten, dass Sie so traurig sind?
    Sie wissen es selbst nicht genau. Sie fühlen sich einfach unerfüllt. Etwas fehlt. Ihre Partnerin oder Ihr Partner hat das
     Gefühl, um Verzeihung bitten zu müssen. Ja, es stimmt, sie oder er hätte mehr für Sie tun können. Aber was? Von Ihnen kommen
     nur vage Andeutungen. Sie sehen selbst nicht klar.
    |153| Liegt es womöglich daran, dass Ihr Partner zu gesund und heiter gelaunt ist? Erst wenn jemand schlecht dran ist, geht Ihnen
     das Herz auf. Ihrem Partner geht es gut? Das ist ungünstig. Dann fühlen Sie sich nicht gebraucht. Sie möchten helfen, und
     jemand, der keiner Hilfe bedarf, ist Ihrer nicht würdig. Also servieren Sie sie oder ihn ab. Vermutlich sagen Sie nicht, weshalb.
     Höchstens äußern Sie etwas Hochtrabendes wie »Mein Herz fühlt sich bei dir nicht richtig aufgehoben«.
    Und dann muss die arme Frau oder der Mann miterleben, oder es spricht sich herum, wie Sie irgendjemanden aus der Gosse lesen,
     den Sie päppeln und aufrichten können und der Sie dann schuftig behandelt, anbrüllt und betrügt. Schwer vorstellbar, dass
     Ihr Herz sich da besser aufgehoben fühlt. Oder dürfen Sie da nachts Sklave oder Sklavin sein, Extremes, Verbotenes, Perverses
     probieren?
    Ist es das, was Sie in den asozialen Grenzbereichen nach Liebe suchen lässt? Es geht uns nichts an. Wir wissen nur: Etwas
     zieht Sie immer wieder weg aus der frohen Welt und treibt sie magisch in die Welt des Kummers. Was es auch ist, es ermöglicht
     Ihnen die Befriedigung Ihres wichtigsten Liebesgefühls: des Masochismus.
    Vermutlich äußern Sie Ihren Freunden gegenüber dann noch Prophetisches wie »Ich spüre, ich werde geführt« oder »Dies ist meine
     Dualseele aus früheren Leben«. Mit solchen Erklärungen sind Sie vollends ungreifbar in Ihrem geheiligten Märtyrertum.
    |154| Haben Sie schon mal daran gedacht, wie es Ihren armen Eltern dabei geht? Die damals Ihr empfindsames, träumerisches Wesen
     so entzückend fanden? Sie haben an Ihre Eltern gedacht? Und die sind bald pflegebedürftig? Kein Wunder. Aber schön für Sie.
     Da winkt ein weiteres schmerzliches Betätigungsfeld.
    Also schwärmen Sie weiter, säuseln Sie, sehnen Sie sich anderswohin. Kokeln Sie mit Ihren Räucherstäbchen, spielen Sie Sphärenmusik,
     lassen Sie sich von Ahnungen leiten und von Engeln führen, geben Sie sich Scheusalen hin, die Sie für duale Gesandte halten,
     lassen Sie sich verführen, ausnutzen und nach Herzenslust bestrafen.
    Und weinen Sie. Weinen Sie sich den Schmerz dieser Welt aus den Augen. Wenn jemand dazu berechtigt ist, dann Sie. Sie haben
     es verdient. Und rufen Sie uns gern schluchzend an. Sie dürfen sicher sein, wir
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