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Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Titel: Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
Autoren: Barbara Brühwiler
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miterleben wolle. Also blieb der Familie nichts anderes übrig, als den Löwen beim Fressen und danach den anderen Autos beim Wegfahren zuzuschauen und darüber zu rätseln, wie sie aus ihrer misslichen Lage befreit werden könnten. Reto, der Kleinste, musste in den Kofferraum klettern und eine Packung Chips sowie Getränke aus der Kühlbox liefern. Die eingeschlossene Familie beobachtete den Zufahrtsweg ebenso sehnsüchtig wie kurz zuvor die Löwen, die auf ihr Futter gewartet hatten. Diese hatten sich bereits vollgefressen in den Schatten gelegt, als der ersehnte bakkie endlich eintraf, bemannt mit drei Rangern. Durchs offene Wagenfenster wurden Anweisungen erteilt, was zu tun sei. Für die Familie Schlatter war der Befehl klar: Im Auto bleiben, Fenster geschlossen halten, höchstens einen winzigen Spalt öffnen. Die Ranger stellten ihren Wagen in der Zwischenzeit als Schutz zwischen den Unfallwagen und das Löwenrudel, einer griff zum Gewehr, die anderen zum Wagenheber und Kreuzschlüssel, und auf drei bewegten sie sich vorsichtig, aber schnell aus ihrem Auto. Und dann folgte eine Szene, die man eigentlich nur aus der Formel 1 kennt: In Windeseile und mit beträchtlichem Geschick, das nur durch Übung zustande kommen kann, wurde der Schlattersche Autoreifen gewechselt und das Auto dadurch wieder fahrtüchtig gemacht. Der Mann mit dem Gewehr blieb bis zum Schluss auf der Hut und deckte auch den Rückzug seiner Kameraden, bis alle wieder im Auto sassen. Alex und Sonia verliessen unverzüglich das Löwengehege, gefolgt vom Ranger-bakkie, und stoppten erst im sicheren Gelände ausserhalb des Löwengeheges. Als sie sich bei den Rangern bedankten, winkten diese ab: Schon okay, business as usual , das passiere jedes Wochenende. Immer der gleiche Löwe, und immer Geländewagen. Ein Löwe mit Hobby.

    Normalerweise stehe ich eher auf runde Formen. Aber für einmal fasziniert mich ein Block mit lauter geraden Linien: Unser Container! Acht Wochen, drei Tage und heute noch zwei Stunden haben wir auf ihn gewartet; jetzt steht er vor unserem neuen Haus. Ich hüpfe wie ein kleines Äffchen herum, strahle die Umzugsmänner entzückt an und schwenke meine Kamera in alle Richtungen. Fast erwarte ich, dass die Umzugsmänner in meine Begeisterung einstimmen. Fällt ihnen aber natürlich nicht ein, sie stehen herum und quatschen. Wie praktisch alle Schwarzen in Südafrika sprechen sie miteinander in einer der lokalen Sprachen und können sich so bequem und folgenlos über das verrückte Huhn mit Kamera austauschen.
    Zeit dazu haben sie genügend, denn als erstes muss sich ihr Chef häuslich einrichten: Er braucht einen Klappstuhl, ein Tischchen, eine Menge Papier, und dann Zange, Stift, Schere und meinen Mann. Denn jetzt folgt die feierliche Eröffnungszeremonie.
    Es fehlt nur noch die dramatische Begleitmusik, als der Chef umständlich die Siegel am Container bricht und langsam, laaangsam die Containertür öffnet. Als Erstes erblicken wir unser Klavier, perfekt umhüllt von einem Mäntelchen aus Holzlatten. Sozusagen in einer richtigen Kiste. Bei diesem Anblick erfolgt ein neues, diesmal längeres Palaver. Wir brauchen nicht Zulu oder Xhosa oder Tswana zu sprechen um zu verstehen, dass Vorschläge gemacht und sogleich verworfen werden, wie dieses Ungetüm auf den Boden, aus seiner Kiste und ins Haus kommen soll.
    Unter Anleitung des Chefs und mit vereinten Kräften schaffen unsere Umzugsmänner die Enthüllung des Klaviers und seinen Transport ins Esszimmer, und danach beginnt die Maschinerie zu laufen.
    „Jedes Möbelstück und jede Schachtel hat eine Nummer. Mein Mitarbeiter transportiert es aus dem Container und meldet mir die Nummer, ich streiche sie auf der Liste durch. Okay?“
    „Okay“, nicken wir. Wird schon alles seine Richtigkeit haben.
    Dieser Umzug ist viel effizienter als jeder andere, den ich bisher erlebt habe, denn wir brauchen nur rund 20 Minuten, bis ein absolutes Durcheinander herrscht. Das liegt vor allem daran, dass alle Möbelstücke wie Betten, Kommoden und Büchergestelle in ihre Einzelteile zerlegt wurden, damit sie im Container Platz finden. Und es liegt an den Kilometern von Verpackungsmaterial, von dem wir sie befreien müssen. Clara ist bald von ganzen Abfallbergen umgeben, weil sie auf der Terrasse im Akkord Plastik aufschlitzt und Karton wegreisst.
    Zwei volle Tage arbeiten Lukas, Clara und ich mit einem Team von Zügelmännern, die zum Beispiel das Keller-Holzgestell in der Abstellkammer
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