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Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika

Titel: Boerewors und Chardonnay: Ein Jahr in Südafrika
Autoren: Barbara Brühwiler
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arme Kerlchen.
    Max hingegen hat sich in den letzten Wochen verändert. Er schläft schlecht – wobei das zu erwarten war, sobald er aus seinem Stubenwagen-Kokon gerissen wird. Aus dem immer zufriedenen und strahlenden Baby ist eins geworden, das sehr viel Aufmerksamkeit und Zuwendung braucht. Er ist nicht mehr damit zufrieden, von seinem Platz aus die Familie zu beobachten, sondern er will, dass man sich aufwändig um ihn kümmert. Er kann sogar richtig schreien!
    Ich meinerseits fühle mich wie ein Stausee im Winter. In den letzten Wochen wurden meine Kraft und Energie systematisch angezapft und verbraucht, ich musste liefern und geben, doch nie und nirgends konnte ich Energie zurückgewinnen. Jeder wollte etwas von mir: Mein Büro musste ich räumen und meinen Nachfolger instruieren, die Administration im Zusammenhang mit der Auswanderung musste ich erledigen, um Freunde und Familie vor der Abreise ein letztes Mal zu besuchen reiste ich mit den Kindern durch die halbe Schweiz, ganz am Schluss musste ich das Auto verkaufen und die letzten – dank Kleinkindern erstaunlich zahlreichen – Habseligkeiten einpa-cken, und dann waren da natürlich unsere zwei Jungs. Während mehreren Wochen war ich Tag und Nacht allein für sie da, und dann noch unter diesen erschwerten Umständen, in einer fremden möblierten Wohnung. Das verlangte viel mehr Aufmerksamkeit als im Alltag und zu Hause, wo sich Tim auch mal selber beschäftigte oder mit Freunden spielte und Max so zufrieden war. In den letzten Wochen war ich Köchin, Butlerin, Hausmädchen, Chauffeuse, Spielkameradin, Märchentante, Hüpfburg, Babywiege, Logistikerin, Flight Attendant, Sekretärin, Krankenschwester, Nachtdienst, Reiseleiterin, Body Guard und Mode-Assistentin für meine Jungs. Jetzt bin ich beinahe leer. Es ist Zeit für die Schneeschmelze.

    Was mich bei dieser grossen Müdigkeit belebt, das ist Südafrika. Jeden Tag entdecke ich Neues hier, jeder Tag ist ein bisschen aufregend! Nur schon auf der Fahrt vom B&B zur Krippe jeden Morgen, natürlich auf der linken Strassenseite, fühle ich mich wie im Urlaub: Da sind freche Taxis auf der Strasse, prustende uralte Lastwagen hüllen sich beim Aufwärtsfahren in stinkende graue Abgaswolken, schlaftrunkene Menschen kuscheln sich auf der Ladefläche von Pick-ups an die windgeschützte Fahrerkabine, und am Strassenrand warten die Menschen auf ein Taxi. Andere sind zu Fuss unterwegs, manche afrikanische Mama trägt ihre Tasche oder den Sack Maismehl auf dem Kopf, ein paar haben ihr schlafendes Baby auf den Rücken festgebunden, dick in warme Decken eingemummelt.
    Ich schiebe eine CD von Miriam Makeba in den CD-Player im Auto, und während die Klänge von „ Igqira lendlela nguqo ngqothwane, Igqira lendlela nguqo ngqothwane, Sebeqabele gqi thapha bathi nguqo ngqothwane “ Ig das Auto erfüllen, fahren wir durch die fremde Landschaft. Jetzt im Spätsommer blühen rosa und weisse Cosmeen an den Strassenrändern, dahinter werden an manchen Orten die langen trockenen Grashalme fürs Dachdecken geschnitten und in Büschel gebunden, an anderen sind sie niedergebrannt, der Boden bleibt schwarz verkohlt und die Bäume mit braunen Blättern zurück. In den dürren Wiesen sind Trampfelpfade zu sehen, von Menschen, die morgens früh zu Fuss kilometerweit zur Arbeit gehen oder am Strassenrand das nächs-te Taxi herbeiwinken. Unser Weg führt uns am Lion Park vorbei,
und wenn wir Glück haben, sehen wir am Morgen ein paar Gnus grasen hinter dem Zaun oder sogar eine Giraffe, die ihren Kopf tief in eine Akazie gesteckt hat und sich dort mit ihrer dunkelvioletten Zunge die leckersten Blättchen angelt. Gegenüber vom Lion Park, nahe der Autobahn, ist ein so genanntes informal settlement, eine Hüttensiedlung. Ziegen weiden manchmal an der Strasse, und kleine Blechhütten stehen dort schutzlos unter der gleissenden Sonne, nicht weit von den grosszügigen Farmhäusern mit herrschaftlichen Einfahrten und weissen Mauern mit Stacheldraht und Überwachungskameras.
    In Dainfern passieren wir mit unserer Eintrittskarte das blendend weisse Eingangstor und finden uns in einer anderen Welt, einer Welt der gepflegten Gärten und schmucken Häuser, dazwischen ein weitläufiger, strahlend grüner Golfplatz. Alles wirkt wie frisch gestrichen und frisch poliert, überall bieten sich schöne Anblicke, und ich kann es kaum erwarten, hier zu wohnen. Jeden Morgen fahre ich noch rasch an „unserem“ Haus vorbei und träume davon, wie wir hier leben
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