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Bodin Lacht

Bodin Lacht

Titel: Bodin Lacht
Autoren: Sylvie Schenk
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sehr sanft.
    Ja. Der Mann hat mich nicht vergewaltigt, er hat mich aber unsittlich berührt. Und wollte mich zwingen, Dinge zu machen, die …
    Woher kennst du diesen Ausdruck, »unsittlich berührt«?, fragte Liliane.
    Marion antwortete nicht. Sie hob verächtlich die Schulter. Plötzlich schnappte sie sich das Baby, hob es hoch, schien kurz zu zögern und reichte es schließlich der Mutter. Dann ging sie.
    Marion ist sehr verstört, flüsterte Christine Suter dem Baby zu, das sie zärtlich auf die Wange küsste. Wieso hat Herr Bodin Ihnen das Leben gerettet?
    Als läse sie einen Zeitungsbericht vor, erzählte Liliane eine sehr verkürzte Fassung ihres Dramas. Dann berichtete sie ausführlicher von Bodin. Sie verschwieg sein Sterbehilfe-Angebot. Wahrheit und Klarheit kennen ihre Grenzen. Sie erwähnte die Szene am Bahnhof, die langen Monate, als sie über verschiedene Berge von einem Tal zum nächsten gelaufen war. Dann von ihrer Entscheidung, Polizistin zu werden. Christine hörte zu, sichtlich verwirrt. Sie legte den Kleinen wieder auf den Teppich. Da er sofort begann zu weinen, nahm sie ihn wieder in die Arme und schaukelte ihn nervös hin und her. Ich hoffe, sagte sie, wir haben keinen Fehler gemacht, aber dieser Mann, glauben Sie mir, hat keine reine Weste. Als wir an diesem fatalen Tag nach Hause kamen, lief er aus dem Zimmer meiner Tochter, wo er nichts zu suchen hatte. Sein Zimmer war eine Etage höher, unter dem Dach. Er sah verärgert und auch verlegen aus, brabbelte irgendetwas, »da sind Sie ja« oder »ach, schon wieder da?«. Und ich dachte, er sei sauer und habe sich mit Marion gestritten. In den letzten Tagen eckte Marion immer wieder an, seit Wochen sogar. Pubertät, wenn Sie wissen, was ich meine. Mein Mann lässt ihr alles durchgehen und ich muss das ausbaden. Ich habe Herrn Bodin gefragt, ob er mit Marion Englisch geübt habe, er hatte ihr in der letzten Zeit öfter geholfen, wir waren dankbar dafür, denn Marion arbeitet immer weniger in der Schule. Christine Suter schwieg einen Augenblick. Und dann?, fragt Liliane. Er grinste aber nur komisch, als er sagte, sie hätten das Gänsespiel gespielt. Dieses Grinsen, ja, dieses Grinsen fand ich abartig. Es lag etwas Bösartiges darin. Ich bin sofort in Marions Zimmer gegangen, sie lag fast nackt auf ihrem Bett, ihre Hose, ich meine ihre Kordhose, hing ihr an den Knöcheln und sie weinte. Das Zimmer war durcheinander, Hefte und Spiele lagen auf dem Boden, sie hat sofort erzählt, wie er sie zuerst in sein Zimmer gelockt habe, angeblich um sie die Englischvokabeln abzufragen, sie sollte die Tür schließen, sich auf sein Bett legen, und als sie Angst bekommen habe und abgehauen sei, habe er sie in ihr Zimmer verfolgt und zuerst vorgeschlagen, etwas mit ihr zu spielen. Er hätte sie geküsst und gestreichelt, und auch als sie sich wehrte, habe er ihr sein Glied gezeigt, verlangt, dass sie ihn anfasse. Ein zwölfjähriges Kind, Frau … – Hoffmann, sagte Liliane. Er hat sofort aufgehört, als er uns ins Haus kommen hörte. Ich kenne meine Tochter, ich weiß, dass sie Theater spielen kann, wie die meisten Mädchen in ihrem Alter will sie sich mit diesem und jenem interessant machen, sie kann mal eine Geschichte ausschmücken, ein bisschen übertreiben, aber so was kann sie nicht erfunden haben.
    Warum nicht?, fragte Liliane.
    Christines Gesicht versteinerte sich. Hören Sie, ich habe viel Geduld mit Ihnen gehabt, sagte sie, ich weiß selbst nicht warum, jetzt möchte ich, dass Sie gehen. Marion ist keine Lügnerin.
    Sicher nicht. Aber irgendetwas in ihrer Geschichte stimmt nicht, sagte Liliane. Sie sagen, sie hat Probleme in der Schule, vielleicht hat sie noch andere Probleme mit einem Mitschüler oder einem Lehrer oder …
    Quatsch! Und wenn schon? Glauben Sie, dass ein Schulproblemchen genügt, um hier einen Missbrauch zu erfinden, um einen Menschen, unseren Gast, hinter Gitter zu bringen? Die Details, die sie angegeben hat, kommen nicht aus ihrer Fantasie. Sie war präzise. Der Psychologe fand ihre Aussage sehr glaubwürdig, sie hat vom Atem des Manns gesprochen, vom Bart, der unangenehm kitzelte – Bodin ist immer schlecht rasiert –, von seinem Gewicht, sie wiederholte Worte, die sie nicht im Internet oder sonst wo gefunden hat, glauben Sie mir. Erklären Sie mir lieber, warum Ihr Freund sich nicht verteidigt, warum
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