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Boccaccio

Boccaccio

Titel: Boccaccio
Autoren: Hermann Hesse
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Jahrhunderten eine Menge von Strei-
    chen und lustigen Anekdoten überliefert. Man braucht
    sich nur etwa an Brunelleschi, den Erbauer der Dom-
    kuppel, zu erinnern, der die fabelhae Ulkerei mit dem
    dicken Tischler anstellte, oder an den großen Lorenzo
    dei Medici, genannt il Magnifico, welcher zu seinen
    Zeiten einer der berühmtesten Fürsten der ganzen Welt
    gewesen ist und doch noch Zeit und Laune genug
    hatte, um mit größter Überlegung dem Arzt Manente
    einen höchst durchtriebenen und gründlichen Streich
    zu spielen, wie es uns Herr Antonio Francesco Graz-
    zini, beigenannt il Lasca, erzählt hat.
    So gab es auch zu Boccaccios Zeiten manche Strei-
    chemacher in seiner Vaterstadt, und unter ihnen stan-
    den, neben dem lustigen Witzbold Michele Skalza,
    obenan die beiden Maler Bruno und Buffalmacco, samt
    ihrem Freunde Maso del Saggio. Diese haben teils ih-
    rem sehr einfältigen Freunde Calandrino, der gleich-
    falls ein Maler war, teils dem Arzte Simone, teils
    anderen, eine Menge Schabernack angetan. Denn
    kaum hat am achten Tage des Dekameron das Fräulein
    Elisa ein Stücklein von ihnen erzählt, so fallen sogleich
    mehreren Zuhörern andere solche Streiche der beiden
    ein, welche sie unter vielem Gelächter mitteilen. Die-
    sen Kameraden Bruno und Buffalmacco gelang es
    einst, dem guten Calandrino ein fettes Schwein zu steh-
    len, ihm weiszumachen, er hätte es sich selber gestoh-
    len, und sich von ihm noch dafür bezahlen zu lassen,
    daß sie reinen Mund hielten. Damit nicht genug,
    
    machten sie ihn ein andermal in eine Dirne verliebt,
    knöpen ihm Geschenke für dieselbe ab und holten
    dann, als er endlich sich seiner Liebe erfreuen wollte,
    im fatalsten Augenblick seine wütende Frau herbei.
    Was soll man aber dazu sagen, daß sie bei einer anderen
    Gelegenheit es verstanden, diesem selben Calandrino
    einzubilden, er sei schwanger, und ihn, nicht ohne ein
    ordentliches Entgelt dafür zu nehmen, nach einigen
    Tagen durch eine Schüssel Haferschleim vor der Nie-
    derkun bewahrten?
    Ewig unvergeßlich und lächerlich aber ist des famo-
    sen Dioneus Historie von Bruder Zippolla, die er am
    sechsten Tag erzählt. Dies Stücklein spielt in Certaldo,
    der Heimat des Hauses Boccaccio. Der Bruder Zip-
    polla ist, um die guten Einwohner wieder einmal or-
    dentlich zu schröpfen, zum Almosensammeln nach
    Certaldo gekommen und hat den Bauern versprochen,
    er werde ihnen in der Kirche eine wunderbare Reliquie
    zeigen, nämlich eine Feder des Engels Gabriel. Indes er
    aber die Messe liest, entwenden ihm einige Spaßvögel
    die mitgebrachte Papageienfeder und legen statt dersel-
    ben ein paar Kohlen in sein Kästchen. Alsdann hält er
    eine herrliche Predigt zum Preise des Engels Gabriel,
    wie er aber die Feder nehmen und vorzeigen will,
    findet er sein Reliquienkästchen voller Kohlen. So-
    gleich beginnt er eine neue Rede, worin er eine schwin-
    delhae Reise durch allerlei Schlaraffenländer erzählt,
    wobei er bis zum Patriarchen von Jerusalem gelangt.
    Dann fährt er fort:
    
    »Der Patriarch zeigte mir so viele heilige Reliquien,
    daß ich sie unmöglich alle herzählen kann. Doch um
    Euch nicht ganz trostlos zu lassen, will ich wenigstens
    von einigen sagen. Er zeigte mir zuerst die Zehe des
    heiligen Geistes, so ganz und unversehrt, wie sie nur je
    gewesen ist, und den Haarbüschel des Seraph, der dem
    heiligen Franziskus erschien, und einen der Fingernägel
    der Cherubim, und eine der Rippen des beiläufig zu
    Fleisch gewordenen Verbum, und etliche der Kleider
    des allein selig machenden Glaubens, und einige von
    den Strahlen des Sternes, der den drei Weisen aus Mor-
    genland erschien, und ein Fläschlein voll Schweiß von
    dem heiligen Michael, als er mit dem Teufel stritt, und
    noch anderes mehr. Und weil ich ihm einen Gefallen
    tat, schenkte er mir einen von den Zähnen des heiligen
    Kreuzes, und in einer kleinen Flasche etwas von dem
    Tone der Glocken im Tempel Salomonis, die Feder des
    Engels Gabriel, außerdem aber gab er mir noch einige
    Kohlen von denen, auf welchen der allerheiligste Mär-
    tyrer Sankt Laurentius gebraten wurde.«
    Und so noch lange weiter. Dann zeigt er den ergrif-
    fenen Landleuten statt der Papageienfeder die Kohlen
    und erntet reiche Gaben. Die Leute drängen sich in-
    brünstig gegen den Altar, um die Reliquie nahe zu
    sehen, und Bruder Zippolla malt jedem ein großes, fet-
    tes Kohlenkreuz aufs schöne Sonntagskleid.
    Weltberühmt ist ja auch der
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