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Boccaccio

Boccaccio

Titel: Boccaccio
Autoren: Hermann Hesse
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Einfall jenes Kochs, wel-
    cher in der Küche das eine Bein eines gebratenen Kra-
    nichs wegnimmt, was sein Herr bei Tische mit Zorn
    

    Die tolle Nachtherberge
    bemerkt. Der Koch in seiner Angst behauptet, es sei
    eine Eigenscha der Kraniche, daß sie nur ein Bein hät-
    ten. Nachher geht der Herr mit ihm ins Freie, wo sie
    bald einige Kraniche erblicken, die alle auf einem Beine
    stehen. »Seht Ihr wohl?« sagt der Koch freudig. Da
    klatscht der Herr in die Hände, so daß die Vögel flüch-
    ten und dabei ihre beiden Beine zeigen. »Schau, daß du
    gelogen hast!« ru er zornig und will den Koch züchti-
    gen. Der sagt jedoch: »Herr, es ist Euer Fehler. Hättet
    Ihr vorher bei Tische auch so geklatscht, gewiß hätte
    dann auch jener Kranich ein zweites Bein heraus ge-
    streckt.« Der Herr muß lachen und kann nicht umhin,
    ihm zu verzeihen.
    
    Es nimmt kein Ende. Da ist die wunderliche Ge-
    schichte von der Priesterhose (Tag IX, Nov. ), des
    Skalza Witz von den »Baranci« (Tag VI, Nov. ), die
    tolle Nachtherberge im Mugnone-Tal (Tag IX, Nov. )
    und eine Menge anderer. Wenn man sie liest und sein
    unendliches Vergnügen daran hat, könnte man wohl
    zuweilen meinen, es passierten heutzutage niemals
    mehr so drollige und gepfefferte Geschichten. Aber dem
    ist freilich nicht so, sondern diese Sorte von Abenteuern
    ist unsterblich, und ich selber könnte Euch mancherlei
    von dieser Art, was ich selber erlebt und gesehen habe,
    erzählen, wenn ich von der herrlichen Kunst und Gabe
    des großen Giovanni Boccaccio auch nur den zehnten
    Teil besäße.
    (Frühjahr  bis Februar )
    
    ANHANG
    NACHWORT
    Mehr als das Mittelalter  faszinierte Hermann Hesse zeitlebens
    die italienische Renaissance, die für ihn sogar zum Anlaß wurde,
    sich mit den eigenen literarischen und künstlerischen Vorstel-
    lungen auseinanderzusetzen. 
    Nicht weniger als zehn Reisen führten Hesse zwischen 
    und  nach Italien, das ihm im Goetheschen Sinn zur »Wahl-
    verwandtscha« wurde. Optische Reize, Aspekte der Kultur-
    und Geistesgeschichte und literarische Motivtraditionen wurden
    zu vielseitigen und facettenreichen Inspirationsquellen seiner
    Dichtung. Allein schon seine autobiographischen Aufzeichnun-
    gen der Tagebücher, Reisebilder, Gedichte, Briefe und Rezensio-
    nen bekunden, aufweiche Weise Hesse Motive, Eindrücke und
    Gestalten der italienischen Renaissance in seinem Werk assimi-
    liert hat. 
    Seine erste nachhaltige Begegnung mit der italienischen Re-
    naissance verdankt Hesse als junger Buchhandelsgehilfe in Tü-
    bingen den autodidaktischen Goethe-Studien und der Bekannt-
    scha mit dem Hauptwerk Die Kultur der Renaissance des
    Schweizer Kulturhistorikers Jacob Burckhardt im Jahre . 
    Entscheidende Impulse erfuhr Hesses Beschäigung mit der
    italienischen Renaissance ab  in Basel unter dem Einfluß des
    italophilen Archivars und Historikers Rudolf Wackernagel, des
    Historikers Karl Joel und des Kunsthistorikers Heinrich Wölff-
    lin.  Seitdem widmete Hesse sich Leonardo da Vinci, sammelte
    Reproduktionen von Gemälden sowie Architekturdenkmälern
    der Renaissance, las Dante, Petrarca, Ariost, die Novellen von
    Boccaccio, Sacchetti, Bandello und Firenzuola und verfaßte
    nach dem Vorbild der italienischen Novelle selbst italianisie-
    rende Erzählungen.  Als Hesse  als Resümee seiner langjäh-
    rigen Lese-Erlebnisse und Lese-Erfahrungen unter dem Titel
    Eine Bibliothek der Weltliteratur  ein ganz persönliches Bekenntnis
    
    zur klassischen Weltliteratur ablegt, mißt er in diesem Literatur-
    kanon dem Studium der altitalienischen Literatur zur Verwirk-
    lichung universaler Bildung wesentliche Bedeutung bei. Daß
    Boccaccio, der inzwischen zu Hesses Lieblingsautoren gewor-
    den war, nicht fehlt, versteht sich von selbst, zumal Hesse
    während seiner literarischen Anfänge, als er noch im Stadium
    eines sentiment premature die Kra seines künstlerischen Natu-
    rells à la Boccaccio unter Beweis stellt, sich schon als Achtzehn-
    jähriger magisch zu dem italienischen Novellendichter hingezo-
    gen fühlt. 
    In der Bibliothek der Weltliteratur gilt Boccaccio unübertrefflich
    als erste Koryphäe der europäischen Erzählkunst:
    »Diese berühmte, bei Prüden um ihrer Derbheiten willen be-
    rüchtigte Novellensammlung [ Dekameron ], ist das erste große
    Meisterwerk europäischer
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