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Boccaccio

Boccaccio

Titel: Boccaccio
Autoren: Hermann Hesse
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Erzählkunst, in einem wunderbar le-
    bendigen Altitalienisch geschrieben und viele Male in alle Kul-
    tursprachen übersetzt …« 
    Zukunweisend nimmt Hesse damit schon das Urteil des Boc-
    caccio-Forschers Vittore Branca  vorweg, daß Boccaccios
    Hauptwerk der Rang des ersten literarischen Vorbilds für zahl-
    reiche zyklisch strukturierte Novellensammlungen zukommt.
    Noch  kündigt Hesse aus seiner Feder eine Monogra-
    phie  über Boccaccio an, die schon im Mai desselben Jahres als
    Band VII der Reihe Die Dichtung im Verlag Schuster und Loeffler
    erscheint.  Diese Monographie, die der sechsundzwanzigjäh-
    rige Hesse in vier Wochen niederschrieb, enthält neben einer
    Biographie des italienischen Novellisten in der pikanten Manier
    der Erzählweise seines Protagonisten Boccaccio eine einge-
    hende, poetisch anmutende Analyse und Würdigung des Deka-
    meron , ein von der Hesse- sowie Boccaccio-Forschung bislang
    kaum beachtetes Zeugnis zum Nachleben Boccaccios in der
    deutschen Literatur und Geistesgeschichte. Es ist ein bemer-
    
    kenswertes Beispiel dafür, mit welch kongenialem sensiblen
    Einfühlungsvermögen in den Geist der italienischen Renais-
    sance ein Autor des zwanzigsten Jahrhunderts das Wesen von
    Boccaccios Erzählkunst zu erschließen vermag.
    Schon die Einleitung zu seiner Boccaccio-Monographie, die
    in der Art einer Captatio benevolentiae mit ›höfischer‹ Galanterie
    besonders dem weiblichen Leserpublikum die Lektüre des De-
    kameron zur Belehrung und Kurzweil nahelegt, macht evident,
    wie sehr Hesse sich darum bemüht, den Leser und sich selbst in
    die Zeit Boccaccios zurückzuversetzen. Unverkennbar sind des-
    halb im Inhalt und Wortlaut seiner Einleitung die Assoziationen
    zum Prooemium des Dekameron .
    Indem Hesse bereits in der Einleitung skizzenha die stoff-
    lich-motivische Vielfalt des Dekameron anspricht, provoziert er
    zwangsläufig Neugierde und Empfänglichkeit des Leserpubli-
    kums. Zugleich akzentuiert er dessen erzieherischen Wert am
    Beispiel der horazischen poetologischen Maxime des »prodesse
    et delectare« , wenngleich er diese Maxime auch nicht expressis
    verbis erwähnt. Jedenfalls sieht er diese ambivalente Wirkung in
    Boccaccios Novellistik realisiert. 
    Hesses Boccaccio-Biographie ist nicht bloß ein Resümee der
    äußeren Lebensdaten; er versucht auch, den Dichter in seinem
    Zeitkolorit zu sehen, in seiner nationalen, sozialen und kulturhi-
    storischen Umwelt. So führt er Boccaccios Dekameron auf eine
    bestimmte gesellschasgeschichtliche Situation zurück und
    kennzeichnet, wie später Francesco De Sanctis , die Zusam-
    menhänge zwischen dem Dekameron und der Gesellschasstruk-
    tur des Florentiner Trecento.
    Anläßlich seiner lebendigen Darstellung des Lebens und der
    Kultur von Florenz zur Entstehungszeit des Dekameron schildert
    Hesse besonders eindrucksvoll die weltgewandte Geschäs-
    und Geldbourgeoisie der Florentiner mit ihren universalen Han-
    delsbeziehungen. Stil und Ton des Dekameron nacheifernd, cha-
    rakterisiert er den Vater des Dichters, den Bankkaufmann
    
    Boccaccino di Chellino, als zwar fleißigen und versierten Ge-
    schäsmann, aber auch geldgierigen und leichtfertigen Men-
    schen, was er durch dessen Liaison mit einer jungen Witwe, die
    nicht ohne Folgen blieb, zu rechtfertigen sucht. Wichtig er-
    scheint Hesse in diesem Zusammenhang auch das Milieu am
    neapolitanischen Hof der Anjou mit seiner kultivierten aristo-
    kratischen Gesellscha, die für Boccaccios Entwicklung von
    tiefgreifender Bedeutung war. In dem Kontrast zwischen dem
    monarchischen Neapel und dem krisengeschüttelten Florenz er-
    blickt Hesse den Nährboden für die Genese des Dekameron .
    Dennoch ist er sich über das Wechselspiel von Illusion und
    Wirklichkeit in Boccaccios Novellen durchaus klar.  Wider-
    sprüche werden von ihm bewußt gesetzt, ohne in einer domi-
    nanten Ideologie aufgehoben zu werden. So wechseln in dichter
    Folge tugendhaes und lasterhaes Leben, tragische und komi-
    sche Ereignisse, hohe und niedrige Gegenstände, Spaß und
    bissige Zeitkritik, aristokratisches, bürgerliches und volkstüm-
    liches Personal. Wie sehr Hesse in den plaudernden Erzählton
    seines Protagonisten verfällt, zeigt auch die Schilderung über
    die erste Begegnung Boccaccios mit seiner späteren Geliebten
    Fiammetta. 
    Mit gleicher Anteilnahme verfolgt er Boccaccio auf
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