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Boccaccio. Der Dichter Des Dekameron.

Boccaccio. Der Dichter Des Dekameron.

Titel: Boccaccio. Der Dichter Des Dekameron.
Autoren: Hermann Hesse
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infolge der Pest stand auch auf dem Lande alles leer und verlassen. Nur zwei Meilen weit vor den Toren fand sie denn auch auf einem Hügel gelegen einen Palast in der schönsten Umgebung, von Blumenmatten,

    Die fröhliche Gesellschaft

    wohlriechenden Gebüschen und Bäumen und fießendem Wasser umkränzt, mit Garten, Hof und Brunnen; auch waren Säle, Kammern und Keller wohl versehen. Hier ließen sie sich mit großem Vergnügen samt ihrer mitgebrachten Dienerschaft nieder, und der Jüngling Dioneus war der erste, welcher allen vorschlug, die Sorgen in der Stadt dahinten zu lassen und sich, so lange es ihnen gefele, heitere Tage zu machen. Alsbald schien es ihnen, auf den Rat der Pampinea, gut, daß an jedem Tage einer aus der Gesellschaft zum Könige ernannt würde, welcher die übrigen samt der Dienerschaft zu beherrschen und alles zum Wohlbehagen und zu guter Unterhaltung Dienliche anzuordnen habe. Und es wurde für diesen ersten Tag als Königin die Pampinea gewählt. Diese wieder bestimmte einen aus der Dienerschaft zum Seneschall, andere zum Aufwarten, zum Kochen und zu sonstigen Diensten, wie in einem wohleingerichteten Hofstaat. Hierauf begab sich jedermann, wohin er wollte, und betrachtete die schönen Gärten, Säle, Lauben, Wiesen, Brunnen und Quellen, bis es Zeit zu Tische war. Die Tafel war voll von trefichen Speisen und ganz mit Ginsterblüten bestreut, es fehlte nicht an blanken Gläsern noch an Handwasser und weißem Linnengedeck. Nach der Mahlzeit aber suchte jeder sich einen Ort zur Ruhe und schlief eine Weile, bis die Königin aufs neue alle zusammen berief und auf einen schattigen Rasenanger führte. Nachdem sie ein wenig getanzt und gesungen hatten, standen wohl Schach- und Damenbretter und genug andere Spiele bereit, allein der Königin und auch allen anderen schien es unterhaltsamer und erfreulicher, daß jeder eine Geschichte, die er wisse, vortrage. So erzählte also jeder eine nach seinem Belieben, und am Ende der zehn Novellen war es Abend geworden, und sie beschlossen diesen ersten Tag damit, daß Emilia eine schöne Canzone sang, während Lauretta einen Tanz dazu aufführte, von Musikinstrumenten begleitet. Darauf übertrug die Königin ihr Regiment an Philomena, und diese hübsche und kluge junge Dame ordnete an, es sollten am Tage ihrer Regierung solche Geschichten erzählt werden, in welchen einer aus großem Unheil unerwartet doch noch entrinnt und ein glückliches Ziel erreicht. In einer ähnlichen Weise verliefen alle zehn Tage und zwar in dieser Ordnung: Erster Tag: Unter der Königin Pampinea erzählt ein jeder, was ihm beliebt und einfällt.
    Zweiter Tag: Unter der Königin Philomena werden die Schicksale solcher vorgetragen, welche unerwartet aus großem Unheil zu neuem Glücke hervorgingen. Dritter Tag: Unter der Königin Neiphile spricht man davon, wie einer durch Scharfsinn ein ersehntes Ziel erreichte oder etwas Verlorenes zurückgewann. Vierter Tag: Unter dem König Philostratus redet man von Verliebten, deren Liebe ein tragisches Ende nahm.
    Fünfter Tag: Unter der Königin Fiammetta werden Geschichten erzählt, in welchen Liebende nach allerlei Hindernissen und Unfällen doch noch zum Glücke gelangen.
    Sechster Tag: Unter der Königin Elisa ist die Rede von schnellen und witzigen Aussprüchen, Antworten und Neckereien.
    Siebenter Tag: Unter dem Könige Dioneus werden Streiche erzählt, welche Ehemännern von ihren Weibern gespielt wurden.
    Achter Tag: Unter der Königin Lauretta spricht man von Streichen und Possen, welche sowohl Eheleute wie beliebige andere Personen einander gespielt haben. Neunter Tag: Unter der Königin Emilia trägt ein jeder vor, was ihm behagt.
    Zehnter Tag: Unter dem König Pamphilus ist die Rede ausschließlich von Taten des Edelmutes und der Hochherzigkeit.
    Außerdem daß jede dieser hundert Novellen durch die Art und Person dessen, der sie erzählt, einen besonderen Ton und eine eigene Art von Anmut gewinnt, sind die Erzählungen untereinander noch auf vielfache und zierliche Weise verbunden. Denn indem zumeist über die soeben vorgetragene Novelle sich ein kürzeres oder längeres Gespräch in der Gesellschaft entspinnt, knüpft alsdann der nachfolgende Erzähler fast immer an dieselbe an und bringt eine Historie zum Vortrag, welche das angeschlagene Thema von einer neuen Seite beleuchtet und deutlicher macht, jedoch ohne daß hierdurch jemals der Anschein der Eintönigkeit erweckt würde. Denn bei mancher Ähnlichkeit des Themas ist
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