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Blutspur

Blutspur

Titel: Blutspur
Autoren: Kim Jones
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Geschichte – Vampire waren sentimental, was ihr Vermächtnis betraf. Damals war sowieso alles besser, das redeten sie sich schon genauso ein wie die halbe Menschheit.
      Hinter mich traten auf einmal zwei riesige Kerle, die mich in Schach halten sollten. Also ging es endlich los. Der Saal verstummte. Aller Aufmerksamkeit lag auf den Gestalten ganz vorn, die es sicher genossen, mich wiederholt verurteilen zu dürfen und sich eine richtig fiese Strafe auszudenken.
     
      Valnar, ein vertrockneter, ergrauter Vampir, der schon viel zu lange dem Hohen Gericht seine Dienste erwies, räusperte sich vernehmlich. Seine kalten Schieferaugen richteten sich auf mich, dann flog sein Blick auf ein paar Schriftstücke, die vor ihm lagen. Ein paar Kerzen ließen ihr flackerndes Licht über die Tafel tanzen, während Valnar angestrengt las, worum es heute überhaupt ging. Natürlich wusste er es auch so ganz genau, das sah ich an seinem selbstgefälligen Ausdruck, den er zur Schau trug.
      Er war unverkennbar ein Dunkler, was somit wieder bewies, wie sich die Zeiten geändert hatten. Man vertraute dem Feind und hatte dafür die eigene Familie als Gegner.
      Uleas, der links von Valnar stocksteif auf seinem unbequemen Stuhl hin - und herrutschte, zog an seinem dunklen Zopf, um ihn in Form zu bringen. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, war er hier bei einem Fotoshooting, aber nicht, um Recht und Unrecht zu sprechen. Er leckte sich über die Lippen und schaute an sich herab, ob sein brauner Armani-Anzug auch richtig saß. Die Dritte im Bunde war Phaedra, eine Vampirin, die mit ihren langen, schwarzen Haaren und wachen blauen Augen geradezu majestätisch über die Menge blickte. Sie war die Einzige, von der ich Hilfe erwarten konnte. Phaedra war mit Rafael befreundet und das ziemlich gut, und so erhoffte ich mir, dass sie auch diesmal meine Strafe abmildern konnte. Doch wollte ich das wirklich? Hatte ich es nicht verdient, verurteilt zu werden? Ich verspürte keine Furcht, was sie mit mir tun würden; sollten sie mich jedoch, wie schon einmal, eine Woche ohne Blut trinken zu dürfen, einsperren, könnte ich nicht bei Virginia sein, um auf sie aufzupassen.
      Irgendetwas war da im Gange, sie schwebte in Gefahr, auch wenn ich ihr gesagt hatte, dass ich nicht mehr glaubte, dass jemand aus den eigenen Reihen Schuld an dem Anschlag im Motel war. Ich wollte ihr die Angst nehmen, lud sie mir doppelt auf, und sie drohte, mich in die Knie zu zwingen. Früher wäre mir alles egal gewesen, aber heute hatte ich eine Mission zu erfüllen.
      Diese Sache, mir Blut vorzuenthalten, war die Schlimmste, die sie mir je angetan hatten. Ich war in der Zelle, die nur aus kalten Steinen bestanden hatte, herumgelaufen, hatte mir die Sachen vom Körper gerissen und immer wieder in meinen Arm gebissen, um diese süße Köstlichkeit trinken zu dürfen. Der Begriff Blutsauger bekam somit seine ganz eigene Bedeutung. Ich hatte am ganzen Leib gezittert, immer wieder Schweißausbrüche gehabt, von meinen Gedanken, die dabei durch mein weiches Gehirn rotierten, durfte ich gar nicht sprechen. Dabei war der eigene Lebenssaft, den ich mir aussaugte, bei Weitem nicht so lieblich wie der einer Frau zum Beispiel … ich schweifte ab … musste mich zur Ruhe zwingen.
      Im Stillen betete ich, dass niemand hier Gedanken lesen konnte. Seit vielen Jahren sollte es wohl schon keine Gedankenleser mehr unter uns geben, aber man konnte nie wissen, wer es dennoch vermochte und es nicht verriet. Wenn dies aber der Fall gewesen wäre, hätte ich schon Hunderte Male verhaftet werden müssen.
      Dass ich Virginia mit dieser Vergangenheit überhaupt anvertraut worden war, grenzte an schierer Unmöglichkeit. Das hatte ich einzig und allein Rafael zu verdanken. Er nannte es Resozialisierungsprogramm, ich nannte es Abschiebung in die Wildnis ohne Wiederkehr, was ihm ein Kopfschütteln entlockt hatte.
      „ Mr. Cross, ich bin nicht sehr erfreut, Sie unter diesen Umständen wieder zu sehen“, unterbrach Valnar meine Gedankengänge. Die Menge verstummte.
    Ich schaute auf und nickte kurz.
      „Euer Ehren, es gefällt mir genauso wenig.“
      Das musste ich noch üben, denn meine Stimme klang matt und desinteressiert.
    Valnar feigste in sich hinein, sodass ich richtige Lust bekam, ihm dieses Grinsen aus dem Gesicht zu wischen.
      „Nun, dann fangen wir mit Punkt Eins an“, sagte er dann und schielte wieder auf seine Papiere.
      Punkt Eins? Was sollte das? Was warfen sie
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