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Blutrot wie die Wahrheit

Blutrot wie die Wahrheit

Titel: Blutrot wie die Wahrheit
Autoren: P.B. RYAN
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Ohr. Sie nickte und betupfte sich die Augen mit dem recht zerknüllten Taschentuch. Als Will ihr ein frisches reichte, murmelte sie ein kaum vernehmliches Dankeschön.
    Seinen Arm noch immer um Emily gelegt, sagte Foster: „Und hier nimmt die Geschichte dann eine etwas befremdliche Wendung. Denn an jenem Tag, nach der Beerdigung, zeigte Mr. Pratt Emily den Revolver und sagte, den habe er in ihrem Zimmer gefunden.“
    â€žIch … ich erwiderte ihm, dass er ihn ganz unmöglich da gefunden haben könnte“, fuhr Emily fort, „weil er von dort nämlich eine Woche zuvor verschwunden war, aber dass ich ihm widersprach, machte meinen Vater nur noch wütender. Er … er beharrte darauf, ihn unter meiner Matratze gefunden zu haben, aber wie sollte das denn möglich sein, wenn der Revolver doch gar nicht mehr dort war?“
    â€žEr hat ihn auch nicht gefunden“, sagte Will. „Ihre Tante Vera hatte ihm den Revolver zurückgegeben und ihm gesagt, sie hätte ihn in Ihrem Zimmer gefunden.“
    Ungläubig sah Emily ihn an. „Nein … Unmöglich! Warum sollte sie das denn gesagt haben?“
    Nell nickte. „Doch. So hat sie es uns zumindest erzählt. Sie bat ihren Bruder allerdings auch darum, Sie nicht wissen zu lassen, dass sie es gewesen war, die ihm die Waffe zurückgegeben hätte.“
    Zutiefst verwirrt schüttelte Emily den Kopf. „Aber der Revolver war doch gar nicht mehr in meinem Zimmer. Er war nicht mehr da! Er war seit bald einer Woche verschwunden. Warum sollte sie …?“
    â€žDas sollten wir vielleicht versuchen herauszufinden“, meinte Will.
    â€žTante Vera?“ Emily klopfte zum dritten Mal an die Tür des Schlafzimmers ihrer Tante; noch immer kam keine Antwort.
    â€žWahrscheinlich ist sie noch unten im Garten“, meinte Will. „Die Toten herbeirufen.“
    Als Emily dennoch nach dem Türknauf griff, hielt Foster sie zurück. „Lassen Sie uns Männer zuerst hineingehen.“
    â€žEr hat recht“, befand Will. „Warum warten Sie und Nell nicht, bis wir uns kurz umgesehen haben?“
    Vorsichtig machte Foster die Tür einen Spalt auf, hielt einen Moment inne, öffnete sie noch ein Stück. Dann betraten er und Will das Zimmer; wenige Sekunden später schon winkten sie die Damen herbei, ihnen zu folgen.
    Das Zimmer war klein und, verglichen mit dem Rest des Hauses, spärlich möbliert. Ein schmales Bett, ein kleiner Teppich, die Wände kahl. Vor dem einzigen Fenster stand ein Schreibtisch, auf dem eine Öllampe ihren schwachen Schein auf ein Durcheinander aus Büchern und allerlei Papieren warf. Alles wirkte irgendwie unpersönlich und farblos – so, als betrachte man nur eine Bleistiftzeichnung eines einfachen kleinen Schlafzimmers, als tatsächlich in einem zu stehen.
    Nells Blick fiel auf den einzigen Farbtupfer des ganzen Raumes: ein dickes rotes Buch, das aufgeschlagen und mit den Seiten nach unten auf dem Schreibtisch lag.

16. KAPITEL
    â€žSchon gesehen“, meinte Will, als Nell auf das Buch zeigte.
    Er war zuerst am Schreibtisch angelangt und nahm das Buch hoch, wobei er mit dem Daumen die Stelle markierte, die Vera aufgeschlagen hatte. Es war in karminrotes Schlangenleder gebunden, die dünnen Blätter beidseitig mit winziger Schrift beschrieben. Manchmal war die Tinte durch die fein linierten Seiten gesickert, doch nie so sehr, als dass man das Geschriebene auf der anderen Seite nicht mehr hätte lesen können. Virginia Kimballs Handschrift war ordentlich und klar – sie hatte sichtlich in Muße geschrieben.
    â€žIch kann mich daran erinnern, dass mein Vater irgendetwas zu Mrs. Kimball über das Rote Buch gesagt hatte“, brach Emily das Schweigen, das sich über den Raum gesenkt hatte.
    â€žNun … das dürfte es wohl sein“, meinte Foster. „Es ist ein Bericht über … ihre Männerbekanntschaften.“ Kurz darauf fügte er hinzu: „Sie wird darin auch über mich geschrieben haben.“
    Emily schaute ihn an. Er hielt ihrem Blick stand und schien weniger peinlich berührt zu sein, als vielmehr besorgt, wie sie denn diese Offenbarung wohl aufnehmen würde.
    Schließlich nickte sie, und ihre starre Miene wich der Andeutung eines Lächelns. „Danke, dass Sie es mir gesagt haben.“
    Will öffnete das Buch an der Stelle, wo Vera es aufgeschlagen gehabt hatte; Nell las mit,
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