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Blutmale

Blutmale

Titel: Blutmale
Autoren: Tess Gerritsen
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müden Augen waren wie hypnotisiert von all den flackernden Lichtern, ihre Arme und Beine fühlten sich taub an, und das Blut in ihren Adern schien wie träger Schlamm zu fließen. Wach auf! , dachte sie. Die Ar beit ruft.
    Sie stieg aus, und der Schwall eisiger Luft, der sie erfasste, riss sie aus ihrer Schläfrigkeit. Sie stapfte durch den frischen Pulverschnee, der wie weiße Federn vor ihren Stiefeln aufstob. Obwohl es schon halb zwei war, brannte in einigen der bescheidenen Einfamilienhäuser in der Nachbarschaft noch Licht, und durch ein Fenster, das mit Schablonenbildern von fliegenden Rentieren und Weihnachts sternen geschmückt war, sah sie die Silhouette eines neugierigen Anwohners, der aus seinem warmen Haus in die Nacht hinausstarrte - eine Nacht, die nun nicht mehr still, nicht mehr heilig war.
    »Hallo, Dr. Isles?«, rief ein Streifenpolizist, ein älterer Cop, der ihr irgendwie bekannt vorkam. Er selbst wusste offen bar ganz genau, wer sie war. Sie wussten alle, wer sie war. »Wie kommt's, dass es ausgerechnet Sie heute Nacht erwischt hat?«
    »Dasselbe könnte ich Sie fragen, Officer.«
    »Tja, wir haben wohl beide den Kürzeren gezogen.« Er lachte auf. »Na, dann fröhliche Weihnachten.«
    »Ist Detective Rizzoli drin?«
    »Ja, sie und Frost haben den Tatort gefilmt.« Er deutete auf ein Haus, in dem alle Lichter brannten, einen kastenförmigen kleinen Bau, eingezwängt zwischen mehrere ältere, leicht heruntergekommene Wohnhäuser. »Inzwischen dürften sie wohl fertig sein und nur noch auf Sie warten.«
    Plötzlich hörte sie jemanden heftig würgen. Sie blickte sich zur Straße um und sah eine blonde Frau, die gebückt dastand und ihren langen Mantel raffte, um den Saum nicht zu bekleckern, während sie sich in den Schnee erbrach.
    Der Streifenpolizist schnaubte verächtlich. »Was die da im Morddezernat verloren hat, ist mir schleierhaft«, raunte er Maura zu. »Kam angerauscht, als wäre das hier 'ne Folge von Cagney und Lacey. Hat uns alle rumkommandiert. Die knallharte Ermittlerin. Dann geht sie rein, wirft einen Blick auf den Tatort, und im nächsten Moment kommt sie schon wieder rausgerannt und reihert in den Schnee.« Er lachte.
    »Ich habe sie noch nie gesehen. Sie ist beim Morddezernat?«
    »Wie ich höre, hat sie gerade erst vom Drogen- und Sittendezernat gewechselt. Der Commissioner und seine geniale Idee, den Frauenanteil zu erhöhen. Die wird sich nicht lange halten, wenn Sie mich fragen.«
    Die Kriminalbeamtin wischte sich den Mund ab und wankte mit unsicheren Schritten zur Verandatreppe, wo sie auf die Stufen niedersank.
    »Hey - Detective! «, rief der Streifenbeamte. »Wollen Sie nicht vielleicht ein bisschen Abstand zum Tatort halten? Wenn Sie noch mal kotzen müssen, dann machen Sie's wenigstens irgendwo, wo keine Spuren gesichert werden müssen.«
    Ein jüngerer Polizist, der in der Nähe stand, kicherte in sich hinein.
    Die blonde Kriminalbeamtin sprang sofort wieder auf, und im grellen, pulsierenden Schein des Blaulichts war ihre beschämte Miene zu erkennen. »Ich glaube, ich setze mich mal kurz in meinen Wagen«, murmelte sie.
    »Ja, tun Sie das, Ma'am.«
    Maura sah zu, wie die Frau sich in den Schutz ihres Fahrzeugs zurückzog. Welche Gräuel erwarteten sie in diesem Haus?
    »Doc«, rief Detective Barry Frost ihr zu. Er war gerade aus dem Haus gekommen und stand auf der Veranda, in eine Windjacke gehüllt, den Kopf eingezogen. Seine blonden Haare standen in Büscheln ab, als hätte er sich gerade erst aus dem Bett gewälzt. Er hatte schon immer einen recht fahlen Teint gehabt, aber im gelblichen Schein der Außenbeleuchtung sah er noch kränklicher aus als sonst.
    »Ist wohl ziemlich übel da drin, wie?«, meinte sie.
    »Nicht gerade ein Anblick, den man sich an Weihnachten freiwillig antun würde. Ich dachte mir, ich geh lieber mal kurz vor die Tür und schnappe ein bisschen frische Luft.«
    Sie blieb am Fuß der Treppe stehen, als sie das Gewirr von Schuhspuren auf der schneebedeckten Veranda bemerkte. »Ist es okay, wenn ich hier durchgehe?«
    »Klar. Die Abdrücke stammen alle von unseren Leuten.«
    »Was ist mit Fußspuren des Täters?«
    »Hier draußen haben wir nicht viel gefunden.«
    »Wie denn - ist er etwa durchs Fenster reingeflogen?«
    »Sieht aus, als hätte er hinter sich hergefegt. Man kann hier und da noch die Wischspuren erkennen.«
    Sie runzelte die Stirn. »Offenbar ein Täter, der auf jedes Detail achtet.«
    »Warten Sie ab, bis Sie sich da drin
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