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Blutlinien - Koeln Krimi

Blutlinien - Koeln Krimi

Titel: Blutlinien - Koeln Krimi
Autoren: Myriane Angelowski
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Regenschirm passte. Vielleicht hat sie ihn nur deshalb mitgenommen, dachte er. Draußen schien die Sonne.
    Sie nahm ein Buch in die Hand, blätterte einen Moment versonnen darin, dann hob sie den Kopf und bedachte ihn wieder mit einem Blick. Diesmal lächelte sie nicht, sondern wirkte ernst und gleichzeitig voller Liebe.
    Das ist meine Frau, dachte er. Sehnsucht erfasste ihn. Ja, Carla ist meine Frau – was immer auch geschehen sein mag.
    Ein warmes Gefühl breitete sich in ihm aus. Er hätte immer so dastehen mögen, am Rande einer Buchhandlung, und zusehen, wie sie anmutig zwischen Tischen voller Büchern dahinglitt.
    Plötzlich lief ein großer, grauer, hässlicher Hund durch den Laden, ein beinahe wolfsartiges Tier. Er fletschte die Zähne, drehte den Kopf, jemand schrie auf, doch dann war der Hund auch schon wieder verschwunden, hatte sich buchstäblich in Luft aufgelöst.
    Jan Schiller wandte sich ab. Wo war Carla abgeblieben? Er suchte sie, glaubte, ihre rote Gestalt irgendwo an der Kasse finden zu müssen, aber da war sie nicht. Ein Gefühl von Panik überkam ihn – als wäre er sicher, dass etwas Unerhörtes geschehen war.
    Der leuchtend rote Regenschirm lehnte verlassen an einem Büchertisch. »Liebe ist alles«, stand da. »Die schönsten Romane für sie und ihn«.
    Wo war Carla?
    Schiller spürte, wie sein Herz zu rasen begann. Er lief auf den Schirm zu, nahm ihn in die Hand. Der Griff war eiskalt, als hätte Carla ihn nie berührt. Suchend ließ Schiller seinen Blick durch die Buchhandlung schweifen. Wo konnte sie sein? Er lief auf eine Metalltür zu, die in einer auffällig kahlen Betonwand eingelassen war. Er öffnete sie und rief in den Schacht, der sich vor ihm auftat: »Carla, wo bist du?«
    Doch niemand antwortete ihm. Nur ein kalter Wind wehte ihn an.
    Abrupt schreckte Schiller auf. Dunkelheit hüllte ihn ein. Lediglich ein vager Schatten schien durch den Raum zu schweben. Eine Ahnung von Licht, das durch ein schmales Fenster fiel. Wo war er? In seinem Bett an der Sülzburgstraße? Er hatte einen bitteren Geschmack im Mund. Das Bett war schmal, mit einem leicht erhöhten Holzrahmen, und es lag niemand neben ihm.
    Carla – wo war Carla?
    Dann fiel ihm sein Traum ein – in einer Buchhandlung war sie spurlos verschwunden. Seltsam! Wann war er zuletzt in einer Buchhandlung gewesen?
    Er erhob sich und ging über breite Holzdielen zum Fenster. Er blickte in eine beinahe undurchdringliche Dunkelheit hinaus. Nirgends ein Licht. Eine Wiese war zu erahnen, dahinter der Umriss eines Deiches.
    Er war im Haus von Matthias Brasch – draußen auf dem Acker in Worringen. Sein Domizil war ein enges Gästezimmer, das früher, bevor sie sich von ihm getrennt hatte, das Arbeitszimmer seiner Frau, einer Lehrerin, gewesen war.
    Zwei Verlassene hatten sich zusammengetan.
    Als Schiller sich auf dem Fensterbrett abstützte, fiel eine leere Weinflasche um. Getrunken hatte er auch noch – großer Gott! Brasch war bei Sylvie gewesen, und Schiller hatte das ganze leere Haus am Abend für sich gehabt. Trübsinnig hatte er vor dem Fernseher gehockt und sich eine Tanzshow angesehen, ausgerechnet.
    Zwei Wochen wohnte er nun schon hier – zwei Wochen, in denen er aus seinem Leben gefallen war.
    Vor dem Fenster rauschte ein Nachtvogel vorbei. Schiller kehrte zu dem schmalen unbequemen Bett zurück. Wie beiläufig nahm er sein Mobiltelefon zur Hand. Es war drei Uhr vierunddreißig.
    Dann sah er, dass jemand versucht hatte, ihn anzurufen.
    Carlas Name leuchtete auf. Um ein Uhr zwölf hatte sie ihn von ihrem Handy angerufen. Das erste Lebenszeichen nach zwei Wochen, und dann zu so einer ungewöhnlichen Zeit.
    Hoffnung erfüllte ihn.
    Das konnte nur ein gutes Zeichen sein, dass sie versucht hatte, mitten in der Nacht mit ihm zu sprechen. Versöhnung – sie wollte Versöhnung, noch einen neuen Versuch, weil sie eingesehen hatte, dass auch sie ohne ihn nicht auskam.
    Kurz entschlossen rief er sie an, doch eine mechanische Stimme erklärte, dass der Teilnehmer zurzeit nicht erreichbar sei.
    Der Traum verfolgte ihn – im fremden Bad beim Rasieren, in der Küche, als er sich den ersten Kaffee des Tages kochte.
    Brasch kam herein, im weißen T-Shirt, unausgeschlafen, aber zufrieden mit sich. Irgendwann mitten in der Nacht musste er zurückgekehrt sein.
    »Sylvie«, sagte er, »ist das Beste, was mir in den letzten Jahren passiert ist.«
    Schiller konnte nur matt lächeln. Eigentlich war Sylvie seine Tangolehrerin gewesen; er hatte
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