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Blutlied -1-

Blutlied -1-

Titel: Blutlied -1-
Autoren: Vanessa Farmer
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Mit weit aufgerissenen Augen versuchte sie, die Dunkelheit zu durchdringen. Ihr Atem ging stoßweise, sie war in Schweiß gebadet.
    »Ich werde mich, verdammt noch mal, nicht vor dir verstecken! Zeige dich, wenn du Mut hast!«
    Eine Caroline Asbury-Bailey würde nicht so schnell klein beigeben, wenn man versuchte, in ihr Heim einzudringen. Nicht sie – lieber Gott, sie hatte sich gegen Terence zur Wehr gesetzt, sich seinen besoffenen Quälereien entzogen. Seit vier Jahren war sie Witwe – und das war gut so! Wer gegen Terence Bailey gewonnen hatte, würde die ganze Welt besiegen.
    Nichts!
    Stille!
    Caroline ging den Flur weiter. Ihre Stimme verlor sich im Haus wie eine Münze in einem bodenlosen Schacht. Sie durchquerte einen Raum, wo ein gebogener, mit Holz verzierter Dachdurchgang auf einen weiteren dunklen Korridor hinausführte. Zu beiden Seiten hingen an samtbezogenen Wänden verschwommene Gemälde. Am Ende des Korridors öffnete sich ein runder Salon mit Mosaikböden und einem Wandbild aus Öl, auf dem eine düster dreinschauende Gestalt zu sehen war. Eine breite Steintreppe führte an den Wänden des Raumes entlang in einer Spirale nach oben. An ihrem Fuße blieb Caroline stehen und rief erneut.
    »Ist da jemand?«
    Das Haus lag in vollkommener Stille da. Ihre Worte verklangen in einem schwachen Widerhall. Sie blieb auf dem Treppenabsatz stehen. Sie sah ihre Fußabdrücke in einer Staubschicht auf dem Boden. Nur ihre eigenen, sonst keine.
    Sie glaubte, hinter sich ein Geräusch zu hören. Sie wandte sich um. Eine angelehnte Tür am Ende des Flurs bewegte sich leicht. Ein kalter Wind kam von dort. Langsam ging sie auf die Tür zu. Dabei warf sie einen Blick auf ein geöffnetes Zimmer. Möbel, die mit weißen Laken verdeckt waren. Das stickige Halbdunkel ließ ahnen, dass sie auch zu Lebzeiten von Onkel Alfred nicht benutzt worden waren.
    Caroline schrie unterdrückt auf, als unten in der Halle ein Licht erwachte. Eine Laterne schwebte über dem Kopf einer Gestalt, die ganz in Schwarz gekleidet war und zu ihr hoch starrte. Das Gesicht erkannte Caroline nicht, denn es verschwand unter einer Kapuze. Die weißen Augen hingegen glühten wie Gaslichter. Und nun wusste Caroline, dass sie vor einigen Minuten tatsächlich ein Kichern vernommen hatte – einen irrsinnigen Laut, der ihr Rückenmark zu Eis gefrieren ließ.
    »Willkommen, kleine Lady«, flüsterte eine dunkle Stimme. »Ich werde jetzt gehen ...«
    Caroline wirbelte herum. Verwünscht noch mal, irgendwo musste doch etwas zu finden sein, das sich als Waffe benutzen ließ...
    Vor ihr schob sich ein Schatten in die Höhe. Stinkender Atem strich über sie, als sie gegen die Gestalt prallte. »Aber vorher habe ich noch eine Frage, kleine Lady ...«
    Bei der Laterne handelte es sich um eine Blendlampe, deren Spiegel nun direkt auf Caroline gerichtet war. Die Hitze des Lichtes brannte auf ihrer Gesichtshaut. Panik schüttelte Caroline. Wie, um alles in der Welt, war es dem Eindringling gelungen, in nur einer Sekunde von dort unten nach hier oben zu kommen? »Wie starb Ihr Mann?«
    Mit kratziger Kehle stammelte Caroline: »Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir?«
    »Wie starb Ihr Mann? Sagen Sie es mir!« Die Gestalt beugte sich etwas vor. Unter einer Kapuze hervor blitzten eiskalte weiße Augen.
    »Er ... er fiel im Krieg ...«, krächzte Caroline, die noch einen Schritt zurückwich und wieder vom Geländer aufgehalten wurde. Nur ein kleiner Stoß vor ihre Brust würde ausreichen ...
    »Die Wahrheit, junge Lady. Sagen Sie die Wahrheit.«
    »Was wollen Sie von mir?«
    »Haben Sie keine Angst. Ich werde Ihnen nichts tun.«
    »Dann sagen Sie mir endlich, wer Sie sind.«
    Der Mann roch nach Fäulnis und einem feinen Vanillearoma. Nach feuchter Wolle und Pomade. Er schüttelte den Kopf. »Ein Name ist ebenso gut wie jeder andere Name.«
    »Und warum interessiert Sie der Tod meines Gatten?« Caroline wunderte sich über ihren Mut. Sie redete und fragte, obwohl ihr nach Schreien zumute war. Ihr Körper war wie gelähmt, ihr Verstand hingegen arbeitete auf Hochtouren.
    »Sie sind eine mutige Lady, nicht wahr? Sie sind keine von denen, die bei der geringsten Gelegenheit ohnmächtig werden!«
    »Das mit der Ohnmacht liegt an den zu engen Miedern ...«, faselte Caroline. »Ich trage keine ...«
    »Die Wahrheit, junge Lady. Was geschah mit Mr Bailey? Keine Antwort? Vielleicht haben Sie Recht, vielleicht wäre die Welt wirklich die Hölle, würden alle Menschen die Wahrheit
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